Page 154 - Handbuch Digitalisierung (2. Ausgabe)
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Kapitel 3.1 / New Work & Arbeiten 4.0 Deutung von Physiognomie und Mi- mik In der Physiognomie eines Menschen stecken keine Informationen, die Auskun  über seine beru iche Eignung geben könnten. Die Mi- mik verrät etwas über aktuelle Gefühlszustän- de. Dies ist etwas völlig anderes als die Aussage über Eigenscha en, die für den Beruf von Be- deutung sein könnten. Schon aus diesen Grün- den ist eine Deutung von Physiognomie und Mimik durch den Computer völlig sinnlos. Deutung der gesprochenen Sprache Studien, die untersuchen, inwieweit in der Sprache eines Menschen Hinweise auf dessen Persönlichkeit zu  nden sind, zeigen durch- aus positive Befunde. Die Zusammenhänge sind jedoch so gering, dass sie sich nicht zur Personalauswahl eignen. Die wissenscha - lich belegten Zusammenhänge sind deutlich geringer als die Zusammenhänge, die von Anbietern entsprechender So warelösun- gen verbreitet werden. Doch selbst wenn die Angaben der Anbieter stimmen, ergibt sich ein ganz anderes Problem (Kanning, 2018b): Nehmen wir einmal an, die Sprache wäre in der Lage, zu 50 Prozent die Gewissenha ig- keit eines Menschen zu erklären. Nun stellt sich die Frage, wie wichtig die Gewissenhaf- tigkeit für die spätere beru iche Leistung ist. Ein Blick in die Forschung zeigt, dass dies im Durchschnitt nur zu etwa 5 Prozent der Fall ist. Mit anderen Worten, die Sprachana- lyse wäre in der Lage, über die Deutung der Gewissenha igkeit zu bestenfalls 2,5 Prozent die beru iche Leistung zu prognostizieren. Dies ist absurd wenig. Ein herkömmlicher Intelligenztest wäre um den Faktor 10 besser. HANDBUCH DIGITALISIERUNG Durchführung von Interviews durch den Computer Einstellungsinterviews werden nachweislich umso aussagekrä iger, je stärker sie einen en- gen Bezug zu den Anforderungen des Arbeits- platzes herstellen. Die Grundlage eines guten Einstellungsinterviews bildet daher eine stel- lenspezi sche Anforderungsanalyse. Aus die- ser Anfangsanalyse werden die zu untersu- chenden Kompetenzen abgeleitet. Die später im Interview zu stellenden Fragen beziehen sich auf Situationen aus dem Berufsfeld und die Antworten werden vor dem Hintergrund der Anforderungsanalyse bewertet. Auch hier stößt der Computer an seine Grenzen, weil er beispielsweise nur Standardfragen stellen kann und die Antworten nicht stellenspezi-  sch auswertet. Jenseits dieser Probleme der einzelnen Ansät- ze gibt es auch einige grundlegende Proble- me. Dies gilt zum Beispiel für die fragwürdige „Ethik der Methoden. Zum einen ist es nicht akzeptabel, dass der Computer Daten verar- beitet, die von den Bewerbern nicht hierfür Das vielleicht wichtigste Problem des Einsatzes künstlicher Intel- ligenz besteht jedoch im ‚Black- Box-Prinzip‘. 154 “ 


































































































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