Agil arbeiten – aber wie?

Erfolg in einem dynamischen und digitalisierten Marktumfeld: Zwölf Regeln für Schnelligkeit, Kreativität und Innovationsstärke

von Dr. Ralf Magagnoli

Der Agile Performer Index, eine Studie der Neoma Business School und des Analysten Goetz­partners, will es auf den Punkt bringen: „Die agilsten Unternehmen einer Branche sind durchschnittlich 2,7 Mal erfolgreicher als ihre Peergroup. Dies bestätigt: Agilität verschafft Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und ist ein entscheidender Faktor, um in einem dynamischen und digitalisierten Marktumfeld erfolgreich zu sein.“ Agilität steht für Schnelligkeit, Kreativität und Innovationsstärke. Wie aber Agilität implementieren? Nicht selten scheitern entsprechende Projekte – und die Gründe dafür sind vielfältiger Natur.

Wenn man einige Regeln beherzigt, ist es wahrscheinlicher, dass agile Projekte gelingen: Zwölf Regeln sind hier zusammengestellt.

Regel eins: Agilität ist eine Frage der Unternehmenskultur. Einfach ein agiles Team zusammenzustellen, einen Scrum-Master zu ordern und im Übrigen zu hoffen, dass alles klappt, ist zu wenig. Vor allem in Unternehmen, in denen es keine Fehlerkultur gibt und in denen die Bereitschaft, neue Wege zu denken und zu gehen, gering ausgeprägt ist. Unternehmen, deren Kultur durch Fehlertoleranz, Offenheit und Transparenz gekennzeichnet ist, haben hier eindeutig einen Vorteil.

Regel zwei: Agilität bedeutet nicht weniger, sondern mehr Führung. Vor allem eine andere Führung. Eine Führung, die sich stärker auf das Impulsgeben verlegt und Mitarbeitern Freiräume verschafft. Der Impuls selbst, agile Projekte umzusetzen, sollte nicht, wie fälschlich angenommen, von der mittleren, sondern von der obersten Ebene im Unternehmen kommen, die dann aber die Mitarbeiter an der langen Leine laufen lassen sollte.

Regel drei: Agilität eignet sich zwar für alle Branchen, zumal für die mit einem hohen Innovationsdruck, aber nicht für alle Bereiche im Unternehmen. Eine agile Produktion ist ein Unding. Hier sind nicht Kreativität und Ideenfindung gefragt, sondern die Umsetzung von Vorgaben. Hingegen eignen sich agile Projekte besonders für die Bereiche Forschung & Entwicklung, IT, Marketing oder HR-Management.

Regel vier: Agilität lebt von den beteiligten Personen. Natürlich sollten sich alle Mitarbeiter in den betreffenden Abteilungen durch Tatkraft, Neugierde, Ideenreichtum und die Bereitschaft zum Querdenken auszeichnen. Realiter tun sie dies nicht. Beginnen Sie mit den Personen, die sie für besonders geeignet halten. Wählen Sie keine ängstlichen, vorsichtigen oder strukturkonservativen Mitarbeiter.

Regel fünf: Agilität bedeutet Umdenken auch in personeller Hinsicht. Das betrifft die Einstellungskriterien, aber auch bestimmte Regularien, so die Flexibilisierung der Arbeitszeit – Achtung, das heißt nicht mehr Arbeitszeit und eine Dauerabrufbereitschaft – und die Überwindung allzu restriktiver Projektvorgaben bzgl. „in time“ oder „in budget“.

Regel sechs: Agilität heißt auch, Fragen zuzulassen. Wer Fragen, auch hartnäckiges Nachbohren, als Widerstand, gar als Angriff auf die eigene Person, versteht, hat nicht verstanden, worum es geht. Manchmal dienen Fragen dazu, auf noch ungelöste Probleme hinzuweisen oder Sachverhalte zu klären.


Agilität verschafft Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und ist ein entscheidender Faktor, um in einem dynamischen und digitalisierten Marktumfeld erfolgreich zu sein


Regel sieben: Agilität verlangt, wie eingangs erwähnt, Fehlerkultur. Wenn es in einem agilen Projekt hakt – und das tut es in vielen Fällen –, nicht gleich aufgeben und das Projekt abbrechen. Lieber nachfassen, prüfen, wo die Fehlerquellen liegen könnten, und diese dann abstellen. Und wenn ein agiles Projekt in Gänze scheitert, auch nicht gleich die Idee der Agilität in Gänze in Frage stellen oder verdammen. Zur Fehlerkultur gehört auch, über das Scheitern von Projekten zu berichten, was natürlich nur in einem Unternehmen möglich ist, das entsprechend tolerant ist.

Viele Unternehmen im Silicon Valley oder in der Luftfahrtindustrie, in der sich Fehler besonders verhängnisvoll auswirken können, haben eine solche Kultur entwickelt. Dort wird auf speziellen Treffen, sogenannten Communities of Practice, über gescheiterte Projekte berichtet, aus denen man mehr lernen kann als aus erfolgreichen Projekten.

Regel acht: Agilität muss auch nicht in einer Abteilung gleich vollumfänglich entwickelt werden. Beginnen Sie mit einer Zelle, bestehend aus fünf bis sieben Personen. In der IT ist Kritik geübt worden an der von McKinsey entwickelten Two-Speed-IT, also einem agilen, kreativen Team und einer eher konventionell arbeitenden Mannschaft. Dennoch ist nichts dagegen zu sagen, innerhalb einer Abteilung mit einigen Personen zu beginnen und die Agilität, bei Erfolg, auf die ganze Abteilung auszuweiten.

Regel neun: Agilität erfordert gemischte Teams, am besten interdisziplinäre Teams. Beispiel IT: Hier sollen neue Anwendungen geschaffen werden. Nichts einfacher, als fünf bis sieben dreißigjährige männliche Informatiker daranzusetzen, die am besten alle an derselben Hochschule studiert haben. Hingegen zeigt sich der Nutzen „gemischter“ Teams, was Ausbildung, Geschlecht und Alter angeht. So könnten Anwender aus den Abteilungen, die die Applikationen nutzen, wertvolle Anregungen geben und vermeiden, dass aus der Entwicklung eine technische Spielerei wird, die an den Bedürfnissen der Nutzer vorbeigeht.

Regel zehn: Agilität beruht auf Barrierefreiheit. Die agilen Teams müssen sich nicht nur regelmäßig treffen, die Räume sollten so gestaltet sein, dass ein Austausch leicht möglich ist. Hilfsmittel wie Flipcharts und Stellwände sollten bereitstehen. Nötig ist auch die physische Präsenz: Nur in Ausnahmefällen sollte es eine virtuelle Präsenz geben, bspw. wenn ein Teammitglied auf Geschäftsreise ist und das Treffen nicht abgesagt werden sollte. Unter Umständen, insbesondere in der IT, kann die Offshore-Verlagerung von Jobs hier zum Problem werden.

Regel elf: Agilität lässt sich besser erzielen, indem man Expertise von außen einholt. Dies betrifft vor allem Externe, die als Moderatoren und Impulsgeber fungieren sollen. Ein Blick von außen erleichtert manchmal das Querdenken, besonders, indem Scheuklappen und die „Das war hier schon immer so“-Denke abgelegt werden. Die Expertise betrifft vor allem die Methoden, auf die noch einzugehen ist, und hierin den Scrum-Master, falls Sie die beliebte Scrum-Methode einsetzen. Wenn Sie auf z. B. einen solchen externen Scrum-Master zurückgreifen, gehen Sie sorgfältig bei der Auswahl vor. Fragen Sie nach Projekten, die dieser initiiert hat, fragen Sie nach Erfolgen, aber fragen Sie auch nach Rückschlägen, insbesondere danach, wodurch es zu diesen Rückschlägen gekommen ist.

Sie entnehmen damit zweierlei: Erstens den souveränen Umgang auch mit ggf. eigenen Fehlern und zweitens die Analysefähigkeit des externen Beraters. Verneint er Rückschläge oder führt er diese Rückschläge auf den Unwillen und die Unfähigkeit der Teammitglieder zurück, ist er wohl kaum der richtige Mann für Sie. Verlassen Sie sich zudem auf Ihr Bauchgefühl, denn das Bauchgefühl ist, wie Professor Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in München betont, nicht einfache Emotion, sondern gesammeltes Erfahrungswissen – und oft anderen Methoden der Entscheidungsfindung überlegen.

Regel zwölf: Agilität wäre missverstanden, wollte man das Rad neu erfinden. Es existiert eine Hülle und Fülle an Methoden – Kritiker sprechen sogar von einer „Kakophonie“ – vom Scrum über Design Thinking bis zur Holokratie, die eingesetzt werden können. Informieren Sie sich über diese Methoden, zu denen es viele Publikationen gibt, und wählen Sie die Methode aus, die ihrer Ansicht nach am zielführendsten ist. Ein Schaukasten gibt einen kurzen Überblick über drei hilfreiche Management-Methoden sowie einen Aufriss weiterer Methoden. //


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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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