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Finanzierung der Digitalisierung

von Udo Rettberg

Die sichere und nachhaltige Finanzierung der Digitalisierung gilt als eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass dieser Megatrend auch in Zukunft nachhaltig alle seine Stärken und Vorteile wird ausspielen können.

Als Geldgeber für Finanzierungen haben sich in der Vergangenheit nicht zuletzt ältere und über die Dekaden hinweg finanziell bestens bestückte Generationen gezeigt. Diese „German Entrepreneurs“ hatten sich durch harte Arbeit während ihres Berufslebens eine Menge Erspartes beiseitegelegt. Heute tun sich diese Kapitalgeber, die durch ihre Risikobereitschaft einst als Rückgrat zum „deutschen Wirtschaftswunder“ beigetragen haben, schwer. Früher hatten sie ihr Risikokapital in sichtbare und ertastbare Produkte, Technologien und auch in bekannte Dienstleistungen investiert. Sie konnten also die von ihnen finanzierten Produkte sehen, spüren, fühlen, ertasten, riechen und vor allem in physischer Form auch im Alltag nutzen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Und so ist festzustellen, dass aus dieser Betrachtungsweise eine Art Generationenkonflikt resultiert. Die in der Regel noch sehr jungen Unternehmen der Digitalisisierungsbranche beklagen nämlich, dass potenziellen potenten Geldgebern das Verständnis für die Situation fehlt. Die Digitalisierung spielt sich in der Regel in der weitgehend anonymen Datenwelt in der sogenannten „Cloud“ ab. Sie ist daher nichts, was tastbar oder anfassbar wäre.

Diese zwischen 1980 und 1999 geborenen Menschen, die im Angelsächsischen als „Millennials“ bezeichnet werden, sind quasi in das Digitalisierungs-Zeitalter hineingeboren und hineingewachsen. Die Mehrheit dieser Digitalisierungs-Ureinwohner verfügt (von Ausnahmen abgesehen) jedoch nicht unbedingt über größere Kapitalmengen. Diese Generation nutzt praktisch ihre Erfahrungen in der digitalisierten Welt zur Entwicklung neuer Finanzierungsformen und -plattformen. Dabei werden von den Gründungsvätern der Digitalisierung alle Register gezogen und auch eher im Verborgenen blühende Möglichkeiten in der VC-Finanzierung, der Fusions-Finanzierung (per LBO und MBO) und Sanierungsfinanzierung genutzt.
Auch die öffentliche Hand sieht sich in der Pflicht, für Start-ups und Neulinge spezielle staatliche Finanzierungen zu kreieren und z. B. über Förderbanken dann für Wachstumszwecke zur Verfügung zu stellen.  Die zahlreichen Ideen der Digitalisierung sollen auf eine breite Finanzierungsbasis stoßen, um nicht zuletzt auch eine zu starke Konzentration der Marktmacht zu verhindern.

Und so könnten Unternehmen der Datenökonomie bei ihren Finanzierungs-Anstrengungen während der verschiedenen Stufen ihrer Geschichte und Entwicklung inzwischen sowohl mehr Finanzierungsformen als auch anderen bislang weitgehend verschlossenen Kapitalquellen vertrauen als das bei den Firmengründern der „old economy“ der Fall war. Angefangen bei der Gründungsfinanzierung  per Bankkredite und Gründungsdarlehen über staatliche Förderprogramme (z. B. über die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder andere Entwicklungsbanken) und der dann im weiteren Verlauf anstehenden Kapitalbeschaffung über Venture-Capital (Risikokapital) bieten sich im weiteren Verlauf der Historie zahlreiche andere Formen an.
Disziplin beim Umgang mit Kapital ist eine der wesentlichen Voraussetzungen,  damit Technologiefirmen auch einige Jahre nach der Gründung noch beständig wachsen können. Dabei geht es bei der Finanzierung dann im Prinzip vor allem um die Beschaffung von Eigenkapital (in der Regel über Aktien) auf der einen sowie von Fremdkapital (meist über Kredite, Anleihen, Schuldverschreibungen etc.) auf der anderen Seite.

ERP-Systeme verwandeln IoT-Daten in optimierte Prozesse

von Stefan Issing und Peter Schulz

Um die Möglichkeiten von Industrie 4.0 voll auszuschöpfen, müssen die aus Sensorendaten gewonnenen Erkenntnisse operationalisiert und in effizientere Prozesse umgesetzt werden. Das ist die zentrale Rolle von ERP-Systemen in Indus­trie-4.0-Umgebungen.

Das Internet of Things (IoT) kann Industrieunternehmen heute Millionen an Sensorendaten liefern, aus deren Analyse sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen lassen. Diese Informationen nur zu sammeln und auszuwerten reicht aber nicht aus. Um von diesen Big Data wirklich zu profitieren, müssen die Erkenntnisse auch zu Aktionen führen, die die Geschäftsabläufe verbessern, seien es optimierte Wartungspläne, verbesserte Service-Levels, optimierte Logistik, bessere Produkte oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Die IoT-Daten müssen also operationalisiert werden – und das ist die zentrale Aufgabe von ERP-Systemen in Industrie-4.0-Umgebungen. Zum einen steuern sie als Herzstück der Unternehmens-IT die Kernprozesse der Indus­trieunternehmen und sind damit naturgemäß auch für deren Optimierung durch neue Erkenntnisse zuständig; zum anderen agieren ihre Anbieter teilweise schon Jahrzehnte am Markt und verfügen deshalb über ein umfassendes Know-how dafür, welche Daten ein Unternehmen genau benötigt, um durch optimierte Geschäftsprozesse für effizientere Abläufe oder höhere Qualität zu sorgen.

Industrie 4.0 entwickelt in den allermeisten Fällen das vorhandene Geschäft weiter, anstatt es grundlegend zu verändern.

ERP-Systeme in IoT-Plattformen aus der Cloud integrieren

Ein Beispiel für die Operationalisierung von IoT-Daten im ERP-System sind optimierte Wartungsprozesse. Wenn etwa Sensoren Daten über zu hohe Temperaturen eines bestimmten Teils sammeln, sollten diese nicht nur gesammelt und registriert werden, um dann manuell darauf zu reagieren; das volle Potenzial zeigt sich erst dann, wenn auf Basis dieser Daten ein Prozess angestoßen wird, der automatisch Servicepersonal mit dem Austausch des betroffenen Teils beauftragt und damit seinen Ausfall verhindert. Operationalisieren und Automatisieren – erst durch diese Kombination kann Industrie 4.0 ihre ganze Kraft entfalten und signifikante Umsatzsteigerungen bewirken.

Stefan Issing

Im ERP-System werden dazu aber nicht sämtliche Daten benötigt, die Industrie 4.0 generiert. Deshalb muss es in eine IT-Architektur eingebunden werden, die die Erfassung, Speicherung und Filterung der Daten ermöglicht. Eine sehr gute Möglichkeit dazu bietet die Integration in IoT-Plattformen in der Cloud.
Mit diesen Plattformen lassen sich die riesigen Datenmengen, die unter anderem von den Sensoren geliefert werden, empfangen, verarbeiten, filtern und an das ERP-System weiterreichen, ohne dafür selbst ein Rechenzentrum aufbauen zu müssen, das Millionen von Transaktionen stemmen kann. Im Sinne einer ganzheitlichen IT-Landschaft wird mittelfristig auch das ERP-System selbst zunehmend in die Cloud wandern; allerdings wird sich dabei hierzulande vor allem das Private-Cloud-Modell durchsetzen. In Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz sind die Unternehmen – ganz im Gegensatz etwa zu den USA – sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, geschäftskritische Daten in die öffentliche Cloud auszulagern.

Das Geschäft nicht auf den Kopf stellen, sondern Schritt für Schritt verbessern

Peter Schulz

Beim Stichwort Internet of Things kommen vielen Menschen automatisch Unternehmen mit disruptiven Geschäftsmodellen wie der Online-Fahrdienst-Vermittler Uber oder der Video-Streaming-Dienst Netflix in den Sinn, die komplette Branchen auf den Kopf gestellt haben. Industrie 4.0 entwickelt aber in den allermeisten Fällen das vorhandene Geschäft weiter, anstatt es grundlegend zu verändern. Beim Blick auf Unternehmen, die bereits erfolgreich Industrie-4.0-Anwendungen nutzen, zeigt sich, dass die allermeisten von ihnen mit einem inkrementellen Ansatz gestartet sind. Das kann zunächst auch nur die Anbindung einer einzigen Maschine sein.

Erzielt man dadurch ein bisschen mehr Umsatz, kann das die Inspiration für einen größeren Schritt sein – beispielsweise die Integra­tion mit weiteren Datenstreams wie Wettervorhersagen oder Temperaturänderungen, die es erlauben, die Leistung einer Maschine weiter zu optimieren.
So wird durch zunehmende Vernetzung Schritt für Schritt die Fabrik von morgen entstehen, in der ERP-Lösungen mithilfe Künstlicher Intelligenz und Algorithmen sich selbst planende und steuernde Systeme unterstützen. Szenarien wie das folgende sind dann an der Tagesordnung: Zahlreiche Komponenten in einem Auto sammeln kontinuierlich Daten über ihren Zustand und können auf Basis dieser Informationen mitteilen, wann sie unter Umständen ausgetauscht werden müssen, noch bevor es zu einem möglichen Ausfall kommt.

Checkliste ERP-System in Industrie-4.0-Umgebungen

Das muss ein ERP-System für Industrie 4.0 mitbringen:
– Es lässt sich durch Konfiguration statt Modifikation flexibel an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen.
– Es kann unterschiedlichste Datentypen verarbeiten, die von Sensoren und Geräten erzeugt werden.
– Zur Kommunikation mit den Ressourcen in der Fertigung kann es über offene Plug-and-Play-Schnittstellen unterschiedliche Produktionsleitsysteme anbinden.
– Leistungsfähige Multi- und Inter-Site-Funktionalitäten sorgen für die Steuerung des erweiterten Informationsflusses über sämtliche, auch internationale Standorte hinweg.
– Zur schnellen Anbindung neuer Partner bietet es offene und leicht konfigurierbare EDI-Schnittstellen sowie spezielle B2B-Portale.
– Um sich selbst organisierende Produktionseinheiten zu ermöglichen, unterstützt es durch Methoden wie Kanban eine hohe Automatisierung.
– Zur Echtzeit-Überwachung von Industrie-4.0-Prozessen führt es Daten und Prozesse aus mehreren Quellen in einem Enterprise-Operational-Intelligence-System zusammen.

Dazu sendet die betroffene Komponente selbstständig eine Mitteilung an den Hersteller, dass Ersatz gefertigt werden muss. In der Fabrik, in der dieser Auftrag bearbeitet wird, konfigurieren sich die Maschinen selbst so, dass das passende Teil gefertigt wird, und schicken es anschließend an den richtigen Zielort. Der Termin in der Werkstatt ist dann bereits vereinbart – denn auch darum hat sich das Auto bereits selbstständig gekümmert.

Kernaussagen

  • Um von den Big Data des Internet of Things wirklich profitieren zu können, reicht es nicht, die Daten nur zu sammeln und auszuwerten. Die Erkenntnisse müssen auch zu Aktionen führen, die die Geschäftsprozesse verbessern.
  • Diese Operationalisierung der IoT-Daten ist die Aufgabe von ERP-Systemen – denn sie steuern als Herzstück der Unternehmens-IT die Kernprozesse von Industrieunternehmen und sind damit auch für deren Optimierung zuständig.
  • Dazu sollte sich das ERP an IoT-Plattformen in der Cloud anbinden lassen. Sie bieten eine sehr gute Möglichkeit, die riesigen Datenmengen zu empfangen, zu filtern und an das ERP weiterzureichen, ohne dafür ein eigenes Rechenzentrum zu benötigen.

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
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Elektronische Rechnungsbearbeitung

von Dr. Martin Bartonitz

Papier ist geduldig, aber auch teuer. Dieser kurze Satz verweist indirekt auf die Vorteile einer papierlosen, elektronischen Rechnungsbearbeitung. Dabei geht es beim Thema E-Invoicing nicht zwingend um Materialkosten oder Umweltschutzaspekte, sondern um Einsparungen auf der Prozesskostenseite. Zu Beginn der elektronischen Datenverarbeitung mussten Papierrechnungen ausgedruckt oder händisch ausgefüllt, kuvertiert, frankiert und per Post verschickt werden (vgl. Abb. 1). Das Fax beschleunigte den Übertragungsprozess, allerdings blieb der Papierverbrauch fast unverändert. Der Empfänger musste die Rechnung prüfen und bei Beanstandungen auf dem gleichen Weg zurücksenden. Kopien der Rechnung mussten anschließend bei dem Versender und dem Empfänger liegen, um der zehnjährigen gesetzlichen Aufbewahrungspflicht gerecht zu werden (u. a. zur Absetzung der USt., vgl. Box 1). Der Platzbedarf für Archive stieg stetig an, mehrere Kilometer Aktenschränke waren (und sind!) bei Großunternehmen mit Hunderttausenden Papierdokumenten nicht ungewöhnlich.

Abb. 1: Kostentreiber in der Rechnungsbearbeitung

Rechnungen im unternehmerischen Umfeld

Die Papierrechnung wird das 21. Jahrhundert vielleicht nicht überleben, doch wer sie schon abschreibt, ist auf dem Holzweg. Denn auch wenn z. B. Mobilfunkanbieter für ihre Privatkunden bereits auf papierlose Rechnungen setzen, ist die Situation im unternehmerischen Bereich grundverschieden. Rund 75 % aller deutschen Unternehmen empfangen ihre Rechnungen noch in Papierform, Digitalisierung hin oder her. Da Papierrechnungen erst händisch geprüft, dann ggf. weitergeleitet und freigegeben werden müssen, verstreicht viel Zeit. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Rechnungen in den Zwischenschritten „hängenbleiben“, sei es krankheitsbedingt oder weil Details unklar sind. Vielen Firmen entgeht dadurch nicht nur der Schnellzahler-Rabatt (Skonto, vgl. Box 2), sie laufen zudem Gefahr, Mahnungen zu erhalten. Bei einer elektronischen Bearbeitung (bestenfalls in einem Enterprise-Content-Management-System) kön­nen Fragen schneller geklärt, Freigaben in Sekunden erteilt und Stellvertreter im Workflow festgelegt werden, selbst wenn der Freigebende außer Haus ist, was den Prozess bis zur Bezahlung deutlich beschleunigt.
Achtung: Eine gescannte Rechnung im PDF-Format ist nicht automatisch eine elektronische Rechnung, denn letztere müssen sowohl elektronisch versendet als auch elektronisch empfangen werden (vgl. Box 3).

Box 1: Erfolgsneutralität der Umsatzsteuer

  • Unternehmensumsätze unterliegen der Umsatzsteuer (derzeit 19 %, bisweilen sieben Prozent)
  • Der Leistungserbringer berechnet seinen Umsatz (100 %) und fügt die Steuer hinzu. Der Leistungsempfänger muss folglich 119 % der Leistung bezahlen.
  • Die 19 % des Leistungserbringers gehen an das Finanzamt. Die verbleibenden 100 % werden als umsatzsteuerliches Entgelt des Leistenden bezeichnet.
    Sofern der Leistungsempfänger ebenfalls unternehmerisch tätig ist, können die 19 % Umsatzsteuer vor dem Finanzamt als Vorsteuer geltend gemacht werden. Es verbleibt eine betriebswirtschaftliche Belastung des Empfängers von 100 %.

Kostentreiber in der Rechnungsbearbeitung

Die manuelle Rechnungsverarbeitung kostet versendende Unternehmen zwischen 0,70 und 4,00 €, bisweilen sogar 13,00 € pro Rechnung und den Empfänger zwischen 2,00 und 30,00 € (je nach Unternehmensgröße und Personalkosten, verfügbare Studien variieren hier; vgl. Abb. 1). Mit elektronischer Rechnungsbearbeitung könnten diese Kosten, laut einer Studie von Capgemini, um bis zu 75 % gesenkt werden. Am meisten Geld sparen Unternehmen aber bei der Strafvermeidung: Fehlerhafte Rechnungen schlagen – aufgrund von Strafzahlungen bei Audits oder Problemen zwischen Lieferant und Empfänger – mit bis zu 50 € pro Rechnung zu Buche. Insgesamt könnten auf EU-Ebene laut Berechnungen der Deutschen Bank durch eine Umstellung auf E-Invoicing Einsparungen zwischen 80 und 250 Milliarden € erzielt werden – und 12 Millionen Bäume müssten nicht gefällt werden.

Box 2: Einsparpotenziale elektronischer Rechnungen

  • Minimale Versandkosten – Versender
  • Schnellzahler-Rabatt (Skonto) – Empfänger
  • Automatisierte Prüfung – Empfänger und Versender
  • Geringe Archivierungskosten – Empfänger und Versender

Verfahrensarten und Extraktion

Doch keine Prozessoptimierung und Automatisierung ohne eine Standardisierung der Datensätze. Weit verbreitet ist z. B. der internationale, branchenübergreifende Standard EDIFACT (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport), der bereits seit über 20 Jahren existiert. EDIFACT ist bei der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) angesiedelt und galt als großer Hoffnungsträger des elektronischen Datenaustauschs. Allerdings wurden die Formate mittlerweile branchenspezifisch so stark ausdifferenziert und zwischen Lieferanten und Kunden so individuell angepasst, dass EDIFACT kaum noch als Standard-Austauschformat bezeichnet werden kann.
Ein „klassisches“ PDF wiederum lässt sich zwar problemlos erstellen und versenden, doch ist es auch fehleranfällig, nicht zuletzt aufgrund der sog. Medienbrüche. Ein Beispiel: Die ursprüngliche Rechnungsdatei liegt beim Aussteller in strukturierter Form, also z. B. als Exceldatei, vor. Wird ein PDF erstellt, werden diese strukturierten Daten in ein Bild (= unstrukturierte Daten) umgewandelt (erster Medienbruch), nur um auf der Empfängerseite wieder als strukturierte Daten extrahiert zu werden (zweiter Medienbruch). Bei jedem dieser Schritte kann es zu Fehlern kommen, welche die Rechnung korrumpieren. Dazu kommen mögliche Tippfehler, Unschärfen aus dem Scanprozess und die Manipulierbarkeit von Bildern generell: Der Teufel lauert im Detail und Fehler können, wie erwähnt, sehr teuer werden.

Box 3: Was ist eine elektronische Rechnung?

  • Eine „elektronische Rechnung“ muss sowohl elektronisch erstellt als auch elektronisch ausgeliefert werden. Nicht jeder Scan ist also eine elektronische Rechnung!
  • Der Vorsteuerabzug bei elektronischen Rechnungen geht verloren, wenn der Nachweis und die Kontrolle der Echtheit, Herkunft und Unversehrtheit des Inhalts fehlen und die Rechnung nicht alle Angaben enthält.

Abb. 2: Digitale Erfassung von Papierdokumenten (Beispiel)

Reformen und Standardisierung

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union brachten Bewegung in die wenig zufriedenstellende Situation. Im Rahmen einer EU-weiten Reform für das E-Government wurden ab 2011 einheitliche Richtlinien und Gesetze für die Rechnungsstellung erarbeitet und initiiert. Veränderungen im Bereich der Rechnungsstellung, die in Deutschland ebenfalls 2011 durch das Steuervereinfachungsgesetz angestoßen wurden (Abschaffung der verpflichtenden Verwendung digitaler Signaturen), mündeten 2013 im E-Government-Gesetz des BMI und 2014 in der Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen. Verwaltungen in den Mitgliedstaaten wurden angehalten, ihre Prozesse zu digitalisieren und vollständig auf elektronische Rechnungsbearbeitung umzustellen. Die Öffentliche Verwaltung in Deutschland ist gemäß RL 2014/55/EU ab 2018 zum elektronischen Rechnungsaustausch verpflichtet.

ZUGFeRD als zukunftsfähiger Standard?

Da EDIFACT mittlerweile zu ausdifferenziert und reine PDF-Dateien zu fehleranfällig waren, musste ein neuer Standard her, der ohne Medienbrüche auskommt, aber gleichzeitig Sicherheit und Verlässlichkeit gewährleistet. In Anlehnung an die Richtlinien der EU entstand der Zentrale User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland (ZUGFeRD). Der Guide kombiniert maschinenlesbare, standardisierte Daten mit dem menschenlesbaren Beleg auf Grundlage des PDF/A-3-Standards. Der PDF-Datei wird eine XML-Datei inkludiert, die dem Format ZUGFeRD genügt und sämtliche relevanten Daten einer erstellten Rechnung enthält.

Box 5: Hashwert-Prüfverfahren im Dokumentversand

  • Vor dem Versand wird mit einem Algorithmus eine Quersumme über den Inhalt des Dokumentes gebildet.
  • Nach dem Empfang erfolgt die Gegenprüfung, ob die Quersumme noch stimmt.
  • Bei Unregelmäßigkeiten kann sofort interveniert und eine manuelle, inhaltliche Dokumentprüfung vorgenommen werden.

In der Regel wird eine solche ZUGFeRD-konforme Rechnung in einem Enterprise-Resource-Planning-System erstellt. Sollte der Rechnungsempfänger kein ERP-System nutzen, kann das Auslesen auch über ein Dokumentenmanagement-System erfolgen. Diese Art der Rechnungsablage erfordert dennoch einen manuellen, menschlichen Zwischenschritt. Soll der Prozess automatisiert werden, kommt eine Klassifizierungssoftware (vgl. Abb. 2) zum Einsatz, die das ZUGFeRD-Format automatisch ausliest, die Daten vom Dokument trennt, strukturiert im System ablegt und für die Weiterverarbeitung bereitstellt. Diese Vorgehensweise lohnt sich aber erst bei einer sehr hohen Zahl an Eingangsrechnungen pro Tag, denn es müssen große Trainingsmengen gebildet werden, um der Software beizubringen, jede Rechnung richtig zu klassifizieren und zu extrahieren. Die Schwierigkeit ergibt sich aus dem nicht einheitlichen Layout von Rechnungen, da jeder Rechnungssteller anders tabelliert – ZUGFeRD ist also nur ein Datenformatstandard und hat nichts mit dem Layout von Rechnungen zu tun.

Box 4: Rechnungsprüfung

  • Echtheit der Herkunft
  • Übereinstimmung der Rechnung mit Bestellung
  • Unversehrtheit des Rechnungsinhalts
  • Lesbarkeit der Rechnung
  • Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen für eine Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinne

Ob automatisierte oder manuelle Extraktion: In jedem Fall müssen interne, inhaltliche Prüfverfahren festgelegt werden (vgl. Box 4). Automatisierte Kontrollen, wie das Hashwert-Prüfverfahren (vgl. Box 5), können nur auf Unregelmäßigkeiten hinweisen, aber die inhaltliche Prüfung nicht ersetzen.

Ausblick

Bisher ist ZUGFeRD vor allem in der Öffentlichen Verwaltung im Einsatz, hat aber aufgrund der großen Einsparmöglichkeiten auf Empfängerseite auch Zukunftspotenzial in der Privatwirtschaft. ZUGFeRD basiert auf den Standards „Cross Industry Invoice“ (CII) und Message User Guides (MUG), die vom Europäischen Standardisierungsgremium CEN entwickelt wurden und eignet sich daher als Grundstein zur Etablierung eines einheitlichen europäischen Formates. Im European Multi Stakeholder Forum on Electronic Invoicing wird derzeit an einer Empfehlung für den europaweiten Einsatz gearbeitet.

Kernaussagen

Elektronische Rechnungen bergen jede Menge Vorteile, wie bspw. minimale Versand- oder Archivierungskosten.Durch digitale Verteil- und Freigabeworkflows inkl. automatisierter Ablage, Prüfung und Buchung werden Fehler reduziert, Arbeitszeit gespart und Skontofristen besser eingehalten.

Trotz aller Vorteile: Die durchgängige digitale Prozessoptimierung und Automatisierung erfordert eine weitergehende Standardisierung von Rech­nungsdatensätze. Der in die Jahre ge­kommene internationale, branchen­übergreifende Standard EDIFACT genügt – ebenso wie einfache PDF-Rechnungen – diesen Anforderungen nicht bzw. nicht mehr.

Die Lösung: Der neue, an EU-Richtlinien angelehnte Standard ZUGFeRD, ermöglicht auch das weitestgehend medienbruchfreie und automatisierte Versenden, Empfangen und Ablegen digitaler Rechnungen – in Kombination mit Klassifizierungssoftware – in ECM-Systemen.

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
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Informationen zu Prof. Bartonitz

Abteilung Buchhaltung

Einfluss der Digitalisierung auf die Buchhaltung und das Rechnungswesen

Zum jetzigen Zeitpunkt finden wir in der Buchhaltung noch eine Mischung von diversen Dokumenten­arten vor. Belege sind entweder in Papierform, elektronisch (z. B. Rechnungen im PDF-Format) oder bereits digital (z. B. EDI/EDIFACT-Format) vorhanden. Der Anteil der digitalen Unterlagen hat mit der Etablierung der digitalen Rechnungen durch die niedrigeren Formatanforderungen des Umsatzsteuergesetzes zugenommen. Dennoch werden digitale Belege zur Verbuchung gerne noch in Papierform umgewandelt, statt sie gleich digital zu verarbeiten. Viele Unternehmen scheuen den Umstieg zur digitalen Buchhaltung, obwohl kaum Hindernisse oder Risiken dagegensprechen.

In „papierlosen Büros“ werden sämtliche Äbläufe in der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung sowie die Büroverwaltung rein auf dem digitalen Weg organisiert und gespeichert. Die papierlose Buchhaltung hilft, Kosten zu sparen, und optimiert bestehende Prozesse.

Heute bringen moderne ERP-Lösungen bereits komplette Buchhaltungs- und Lohnbuchhaltungslösungen mit sich. Die elektronische Belegablage wird so automatisch mit implementiert. Trotzdem muss sich auch die Unternehmenskultur in diesem Kontext ändern. Dies fängt bereits mit der Digitalisierung der täglich eingehenden Papierdokumente in Form von Rechnungen an. Zunächst sollten jegliche Papierdokumente mit einer professionellen Dokumentenmanagement-Lösung per Scan und OCR erfasst und damit digital zur Verfügung gestellt werden.

Gerade bei Rechnungen müssen vorab beteiligte Sachbearbeiter die Rechnungspositionen prüfen und sind daher meist auch in den Buchhaltungsprozess einbezogen. Durch vorab gescannte und damit digitalisierte Eingangsrechnungen können alle am Prozess beteiligten Abteilungen schnell und rechtssicher informiert und einbezogen werden. Die digitale Zusammenarbeit und Kollaboration ermöglicht auf diesem Wege schon große Einsparpotenziale.
Die Kostenvorteile entstehen als Folge der digitalen Verfügbarkeit von Dokumenten. Diesbezüglich geht es vorrangig um die Minimierung von Suchkosten für Mitarbeiter, die Zugriff auf Belege haben sollten.

Kostenreduktionen machen sich jedoch nicht nur im Unternehmen, sondern auch im Umgang mit externen Dienstleistern bemerkbar, wenn es beispielsweise um den digitalen Austausch der Unternehmensunterlagen mit dem eigenen Steuerberater geht. Auch die Korrespondenz mit Geschäftspartnern und Kunden  lässt sich in papierloser Form effizient gestalten.

Tipps zur Einführung

  1. Machen Sie sich mit der aktuellen Gesetzgebung vertraut. Unternehmen sind in der Pflicht, ihr Rechnungswesen auf das digitale Zeitalter umzurüsten. Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) regeln die formalen Anforderungen. Zudem enthalten die GoBD Regeln zum elektronischen Datenzugriff der Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen. Die GoBD wurden durch Schreiben des Bundesfinanzministeriums am 14. November 2014 veröffentlicht. Die GoBD sind ab 1. Januar 2015 gültig. Sie lösen die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) und die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) ab.(1) Besonders wichtig sind die GoBD für die elektronische Aufzeichnung der Barerlöse, die oftmals nicht vollständig aufgezeichnet oder nachträglich mit Manipulationssoftware verändert werden. Umfassende Regelungen zum internen Kontrollsystem und der Verfahrensdokumentation sind zu beachten. Der Unternehmer bleibt nach den GoBD verantwortlich, auch wenn er die Datenverarbeitung auslagert oder einen Dienstleister wie den Steuerberater einschaltet. Die GoBD gelten auch im Bereich der Bareinnahmen nur für digitale Aufzeichnungen mit Kassensystemen, Registrierkassen, PC-Kassen, Wiegekassen und Taxometern. Sie gelten nicht für manuelle Kassenführung wie z. B. die offene Ladenkasse.
  2. Gewohnte Verhaltensmuster durchbrechen. Bisher wurden Rechnungen und Dokumente ausgedruckt und in Ordnern abgeheftet. Elektronische Rechnungen und die elektronische Weiterverarbeitung erfordern ein Umdenken im Kontext der bisher angewendeten Prozesse.
  3. Innerbetriebliches Kontrollverfahren etablieren und implementieren. Laut Umsatzsteuergesetz (UStG) § 14 ist die Ausstellung von Rechnungen(2) in ein langfristiges und sicheres Archivierungssystem (Grundlage sind die GoBS)(3) einzuführen.
  4. Papierlose Prozesse einführen. Digitalisieren Sie alle Dokumente, die bisher in Papierform vorliegen. Besonders die Mitarbeiter müssen in den Ver­än­derungs­prozess einbezogen werden, damit kein Geschäftsrisiko entsteht.
  5. Beziehen Sie Ihren Steuerberater vorab in Ihre Überlegungen mit ein.

Digitales Belegwesen

Das digitale Belegwesen ist die dynamische Weiterentwicklung der heutigen Finanzbuchhaltung. Im digitalen Belegwesen werden Barbelege / Kassenquittungen durch den Klienten selbst per Fax oder per E-Mail an einen Steuerberater oder eine Buchführungsfirma übermittelt. Die Originale behält der Mandant selbst. Rechnungseingänge werden als Fax übermittelt. Rechnungsausgänge werden ebenfalls gefaxt oder der Steuerberater erhält sie aus dem Fakturierungsprogramm des Mandanten. Bankbewegungsdaten werden Bestandteil der Buchführung, indem sie elektronisch direkt von der Bank übermittelt werden. Danach können sowohl Steuerberater wie auch Mandant per verschlüsseltem Netz-Zugang auf die Daten zugreifen. Eine Smartcard bzw. ein USB-Stick mit Smartcard sorgt für die notwendige Sicherheit der Authentifizierung.

Trends

  1. Elektronische Bilanz. Als Elektronische Bilanz oder E-Bilanz wird in Deutschland die elektronische Übermittlung einer Unternehmensbilanz an das zuständige Finanzamt bezeichnet. Grundsätzlich sind die Inhalte der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen, durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Rechtsgrundlage ist § 5b Einkommensteuergesetz (EStG).
  2. XBRL. Eine gute Nachricht gleich vorweg: XBRL ist ein freier Standard, den jeder unentgeltlich nutzen kann. XBRL („eXtensible Business Reporting Language“) ist eine auf XML basierende Sprache, mit der elektronische Dokumente im Bereich der Finanzberichterstattung erstellt werden. Insbesondere werden Jahresabschlüsse in dieser Sprache generiert. XBRL bietet auf Basis von XML einen standardisierten Austausch von Informationen der Geschäftsberichterstattung. Ziel von XBRL ist es, Ineffizienzen im Prozess des Datenaustauschs und der -analyse zu reduzieren sowie den Vergleich und die Vergleichbarkeit von Informationen zu erleichtern. Erste XBRL-basierte Taxonomien lassen erhebliches Effizienzsteigerungspotenzial beim Austausch und der automatisierten (Kennzahlen-)Analyse erkennen. Sie tragen aber nicht zu einem erleichterten Vergleich oder gar inhaltlicher Vergleichbarkeit von Informationen der Geschäftsberichterstattung bei.(4)
  3. Cloud-Computing. Vollauslagerung  von  Diensten  über  Shared-Service-Center und Application-Service-Provider. Online-Buchhaltungssoftware ist auf dem Vormarsch. Unternehmen erkennen die Vorteile der Cloud: unkompliziert und flexibel mit hoher Sicherheit. Denken Sie daran, dass nach der neuen Gesetzgebung das Hosting Ihrer Daten nur innerhalb der EU vorgenommen werden darf. Der „EU-US Privacy Shield“ (auch EU-US-Datenschutzschild) ist ein Abkommen auf dem Gebiet des Datenschutzrechts, das 2015 bis 2016 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika ausgehandelt wurde.
    Es besteht aus einer Reihe von Zusicherungen der US-amerikanischen Bundesregierung und einem Beschluss der EU-Kommission. Die Kommission hat am 12. Juli 2016 beschlossen, dass die Vorgaben des Datenschutzschilds dem Datenschutzniveau der Europäischen Union entsprechen; damit kann das Abkommen angewendet werden.(5)
  4. Open-Source-Lösungen. Als Open Source oder quelloffen wird Software bezeichnet, deren Quelltext öffentlich ist und von Dritten eingesehen werden kann. OSS ist flexibler, wenn es um die Anpassung an die eigenen Unternehmensprozesse geht. Vorsicht, OSS ist nicht kostenfrei! Die Implementierung sowie die Schulung und der Umgang mit dem System müssen ebenso bezahlt werden wie sonstige Anpassungen. Unsere Redaktion hat sich in diesem Kontext mit der ERP-Lösung OpenZ beschäftigt. Die Open-Source-ERP-Software OpenZ ist ein branchenübergreifend einsetzbares Standard-ERP-System. Es unterstützt die gesamte Wertschöpfungskette und ist dabei agil bei Veränderungen der firmenspezifischen Prozesse anpassbar. Die nachfolgenden Features im Bereich der Finanzbuchhaltung werden abgedeckt:
    1. Deutscher Kontenrahmen: SKR03 oder SKR04
    2. DATEV-Export und DATEV-Import
    3. Abgleich der Summen und Saldenliste mit DATEV
    4. Offene-Posten-Liste
    5. Zahlungsabgleich / Zahlungsverkehr
    6. SEPA-Bankeinzug und Überweisungen
    7. Kontierungen können frei hinterlegt werden
    8. Anlagenbuchhaltung inkl. Anlagenspiegel
    9. Steuerautomatik bei allen Buchungen
    10. USt.-Voranmeldung
    11. Betriebswirtschaftliche Auswertungen
    12. Kostenstellen / Kostenträger
  5. Mobile Buchhaltung in der Cloud und Buchhaltungssoftware für Tablets. Cloud-Unternehmenssoftware gibt es auch als Apps für Tablet und Smartphone. Damit können Unternehmer auch von unterwegs auf Daten zugreifen, betriebliche Prozesse steuern oder auch die Buchhaltung erledigen. Hohe Sicherheitsstandards müssen selbstverständlich nachgewiesen werden. In der nächsten Zeit werden auch die bekannten Softwarehersteller diesem Trend folgen. Bis dahin lohnt sich ein genauer Vergleich der Cloud-Buchhaltungen.

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Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

 

(1) Michael Goldshteyn, Stefan Thelen: Praxishandbuch digitale Betriebsprüfung /Anforderungen der neuen GoBD an Buchführung, Datenspeicherung und Datenzugriff, ISBN 978-3-7910-3446-1; https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=GoBD&redirect=no

(2) https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/__14.html

(3) https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Abgabenordnung/Datenzugriff_GDPdU/2014-11-14-GoBD.html

(4) Norbert Flickinger: XBRL in der betrieblichen Praxis: Der Standard für Unternehmensreporting und E-Bilanz, 2., neu bearbeitete Auflage. Erich Schmidt, Berlin 2013, ISBN 978-3-503-14455-6.

(5) https://de.wikipedia.org/wiki/EU-US_Privacy_Shield

EIM: Informationen werden zum Geschäftsvorteil

Mit Blick auf die Zukunft der Information ist es nicht leicht, mit der Technologieentwicklung mitzuhalten. Dabei ist der Wandel vom „Enterprise
Resource Planning“ (ERP) hin zu „Enterprise Information Management“ (EIM) als Informationssystem der Zukunft bereits in vollem Gange. Die Verarbeitung von strukturierten und unstrukturierten Daten stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen, bietet jedoch große Chancen.
Ein Gespräch mit Roger Illing, Senior Vice President Enterprise Sales Europe, und Lars Drexler, Vice President Solution Consulting EMEA beim Digitalisierungsexperten OpenText.

Die Digitalisierung bringt Unternehmen klare Vorteile. Warum haben trotzdem relativ viele Menschen Angst davor?
Roger Illing: Das ist in der Tat ein sehr wichtiger Punkt. Natürlich werden manche Prozesse, die zuvor von Menschen erledigt worden sind, nun von der IT abgearbeitet. Das gilt nicht nur für die Produktion mit ihren Robotern, sondern auch für informationsverarbeitende Prozesse. Schon heute haben von den 70 000 Mitarbeitern einer Bank womöglich nur noch 10 000 regelmäßigen Kundenkontakt. Zukünftig wer­den noch mehr dieser Prozesse automatisiert ablaufen. Diese Entwicklung ist aber nicht nur negativ, sondern bietet auch Chancen wie mehr Flexibilität, Kreativität und Freiraum für die Mitarbeiter. Das sind im Übrigen alles Punkte, die der nächsten Generation von Arbeitnehmern, den Millennials, sehr wichtig sind.

Die Millennials sind mit der Digitalisierung aufgewachsen. Inwiefern spielen diese privaten Erfahrungen eine Rolle?
Lars Drexler: In vielen Bereichen des Alltags machen User leider immer noch negative Erfahrungen mit der Digitalisierung. Das liegt unter anderem auch daran, dass viele Angebote im Netz sehr binär daherkommen: Es gibt ein Produkt und einen Preis. Möglicherweise ist das Angebot für den User sogar komplett irrelevant. Diese Art der Digitalisierung bringt wenig Mehrwert. Interessant für den potenziellen Kunden wird es erst dann, wenn maßgeschneiderte Informationen durch unstrukturierte Informationen angereichert werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Benutzerrezensionen im Online-Kaufhaus. Jede einzelne Bewertung ist sehr subjektiv. In Summe vermitteln sie aber ein gutes Bild über das, was den Käufer erwartet. Auch im beruflichen Umfeld sollten Mitarbeiter jederzeit für sie relevante Informationen mit anderen Daten in Verbindung bringen können.

  • Digitale Transformation umfasst nicht nur die Optimierung einzelner Geschäfts­prozesse sondern auch eine Neuausrichtung des Unternehmens bis hin zu neuen, digitalen Geschäftsmodellen.
  • Ein ganzheitliches Informationsmanagement bricht Informationssilos im Unternehmen auf und sorgt für die umfassende Verwaltung und Analyse des Informationsflusses.
  • Mit Enterprise-Information-Management-(EIM)-Systemen lassen sich sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten und Abläufe im Unternehmen auffinden, verwalten und gewinnbringend einsetzen.

Was müssen Unternehmen tun, um dieses Ziel zu erreichen?
Roger Illing: Die Zukunft gehört den EIM-Plattformen. EIM steht für „Enterprise Information Management“. Darunter verstehen wir die Möglichkeit, unstrukturierte Daten in den Griff zu bekommen. Das können Dokumente und Präsentationen sein, die in unterschied­lichen Ordnern lagern, aber auch Videos, Bilder, Folien und viele andere Medien. In diesen Materialien schlummern wertvolle Informationen, die mit klassischen Methoden nicht genutzt werden können. Die Menge, Vielfalt und Geschwindigkeit dieser Informationen machen sie immer schwerer verständlich und verwendbar, sogar dann, wenn sie unverzichtbar für den Unternehmensalltag werden. Mit Blick auf diese Vorteile werden EIM-Plattformen sich durchsetzen und einen ähnlichen Wandel einleiten wie ERP-Systeme in den 90-er Jahren.

Welche Rolle spielen Prozesse dabei?
Lars Drexler: Klar definierte Prozesse sind die Basis, um überhaupt als digitales Unternehmen auftreten zu können. Unternehmen sollten nicht den Fehler der frühen Internetjahre wiederholen, als viele Webserver aufgesetzt wurden, ohne dass sich jemand Gedanken über die grundlegenden Prozesse gemacht hat. Dabei kommt es gerade darauf an, wenn das volle Potenzial von „Electronic Data Exchange“ (EDE) in Zukunft ausgeschöpft werden soll. Dabei ersetzt EDE zunächst Papierdokumente durch elektronische Versionen. Anschließend werden die Daten in einem Dokument in einem Standardformat übermittelt, sodass Sender und Empfänger in der Lage sind, das Dokument exakt zu lesen. Das ist jedoch erst der Anfang.

Welche Entwicklungen stehen in diesem Bereich an?
Roger Illing: Ein zentrales Zukunftsthema ist, dass Produkte in Zukunft mit der Bestellung definiert werden. Noch handelt es sich dabei um große Visionen, die allerdings besonders in Verbindung mit Industrie 4.0 sehr vielversprechend sind. Noch sind viele Unternehmen auf dieses Thema nicht vorbereitet. Das Interesse daran wächst jedoch. Damit EDI in dieser Form funktioniert, kommt es vor allem auf eine integrierte Plattform an. Mit einer einfachen Anbindung an das ERP-System ist es nämlich leider nicht getan. Die Entscheidung zur Implementierung sollte vor allem auf Unternehmensebene und nicht auf technischer Ebene getroffen werden, wenn alle Vorteile einer EDI-Investition genutzt werden sollen.

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
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Abteilung Geschäftsleitung

Digitalisierung ist Chefsache. Unternehmen müssen sie als notwendigen Prozess begreifen und Geschäftsmodelle anpassen oder neu entwerfen.

von Bernhard Haselbauer

Zielgruppe:
Der nachfolgende Digital-Leitfaden richtet sich an Inhaber und Führungskräfte mittelständischer Unternehmen sowie an kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Unser Ziel ist es, Ihnen Möglichlichkeiten aufzuzeigen, um die „Digitale Transformation“ Schritt für Schritt zu meistern.

1. Digitalisierung von Geschäftsprozessen
Der Fokus liegt in diesem Kontext auf Steigerung der Effizienz und Margen sowie auf einer höheren Produktivität durch die Implementierung moderner Informationstechnologie und Software-Lösungen. Weitere Vorteile sind die Senkung von Kosten und eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit Ihrer Unternehmung. Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen führt in der Regel zu sogenannten „inkrementellen Innovationen“. Inkrementelle Innovation ist die stetige und schrittweise Verbesserung von bestehenden Produkten, Dienstleistungen sowie Geschäftsprozessen. Die Digitalisierung der betrieblichen Abläufe ist ein evolutionärer Prozess, mit dem Sie Wettbewerbsvorteile generieren können.

Vorteile von inkrementellen Innovationen:

  • Sicherung Ihrer Marktposition durch optimierte Produkte mit beständiger Qualität;
    schnelle Stärkung Ihrer Wettbewerbsposition;
  • positive Erfolge können in ein bis zwei Jahren realisiert werden;
  • schnelle Gewinne erzielen.

Tipp:
Entwickeln Sie die inkrementelle Optimierung Ihrer Geschäftsprozesse durch das Wissen und die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter sowie mit Kunden und Partnern.

Weiterführende Beiträge aus TREND REPORT zum Thema

Die Realität wird durch Business-Process-Mining in Echtzeit visualisiert. Das ganze Bild vor Augen, werden mögliche Schwachstellen einzelner Arbeitsschritte aufgedeckt, berichtet Bastian Nominacher. https://trendreport.de/geheimwaffe-fuer-mehr-effizienz/

 

Die Digitalisierung treibt die Wirtschaft voran und Aufsichtsräte müssen bei dieser Entwicklung mitziehen. Thomas Deutschmann spricht über die Vorbildfunktion des „digitalen Aufsichtsrats“. https://trendreport.de/keine-effizienz-im-aufsichtsrat-ohne-digitalisierung/

 

Wie eine konstante Vernetzung mit Innovatoren aus dem Silicon Valley gelingen kann, um digitale Transformationsprojekte zu beschleunigen und zu professionalisieren, wissen Dr. Ulrich Spandau und Jan Stenger. https://trendreport.de/siliconvalley/

 

 

2. Digitalisierung von Geschäftsmodellen
Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen kann die Bereitschaft erfordern, sich auch selbst zu kannibalisieren. Denken Sie daran, bevor dies Wettbewerber oder meistens neue Marktteilnehmer tun. Sie sollten jedoch auch die Chancen für neue Geschäftsmodelle, die sich durch die Digitalisierung  ergeben, erkennen. Meist sind es nicht die etablierten Unternehmen, die disruptive Innovationen hervorbringen.
Bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen wandeln sich gewachsene Märkte innerhalb kurzer Zeit – und zwar in vielen Fällen radikal und damit disruptiv. Nur wer erkennt, dass digitale Transformation neben technologischem vor allem kulturellen Wandel bedeutet, wird seine Company erfolgreich in die digitale Zukunft führen.

So verbessern Sie Ihren digitalen Reifegrad:

  1. Seien Sie neugierig und machen Sie Digitalisierung zur Chefsache.
  2. Stellen Sie ein agil arbeitendes und denkendes Digitalisierungsteam für Ihr Unternehmen zusammen.
  3. Schreiben Sie eine neue Position für Ihren CDO aus („Chief Digital Officer“).
  4. Entwickeln Sie Ihre Digitalstrategie.
  5. Investieren Sie in die digitale Bildung Ihrer Mitarbeiter.
  6. Digitalisieren Sie Ihre Geschäftsgrundlage / Ihr Geschäftsmodel.
  7. Analysieren Sie alle verfügbaren Daten Ihres Unternehmen.
  8. Setzen Sie auf neue IT-Technologien.
  9. Planen und entwickeln Sie digitale Lösungen in enger Zusammenarbeit mit Ihren Kunden und Partnern.
  10. Beobachten Sie regelmäßig Hightech-Unternehmen und neue disruptiv agierende Marktteilnehmer mit ihren Geschäftsmodellen.
  11. Verbünden Sie sich mit Start-ups in Form von strategischen Allianzen.
  12. Beteiligen Sie sich an universitären Forschungsprojekten (Technologietransfer).
  13. Starten Sie die Einführung von agilen Strukturen und Mitarbeiterteams.

Erfolgsstrategien im digitalen Business

Studieren Sie die Erfolgsstrategien global agierender „Digital Leader“, um durch die Analyse der digitalen Geschäftspraktiken Ihr Geschäftsmodell zu optimieren.
Apple, Google, Facebook und Amazon sind die Leitbilder vieler Manager, wenn es darum geht, den digitalen Wandel zu gestalten. Aber nur ganz wenigen scheint es zu gelingen, den Erfolg dieser Giganten nachzubilden. Was machen Apple und Co. „richtig“?

Unserer Redaktion hat das Werk „Think new!“, das im Hanser Verlag (ISBN 978-3-446-44228-3) erschienen ist, sehr geholfen, um die Tricks und Kniffe international agierender Konzerne zu verstehen. Die Autoren haben 22 Erfolgsprinzipien ermittelt, auf denen der Erfolg dieser Unternehmen basiert. Das Buch stellt nun diese Prinzipien theoretisch fundiert und praxisorientiert dar. Viele Beispiele und konkrete Tipps erleichtern den Transfer in die eigene unternehmerische Praxis.

Der Autor Christian Hoffmeister ist geschäftsführender Gesellschafter der DCI Institute GmbH. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung und Unterstützung von Unternehmen, die von Geschäftsmodell- und Technologie-Disruptionen betroffen sind.

Der Autor Yorck von Borcke ist Professor für Medienmanagement und leitet den Bachelor-Studiengang Mediamanagement sowie das Masterprogramm Mediamanagement & Entrepreneurship an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

Führen im digitalen Zeitalter

Die Keywords der aktuellen Digitalisierungswelle sind allgegenwärtig. Big Data, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, Soziale Netzwerke und Automatisierung. Sie verändern die Arbeitswelt nachhaltig und schnell. Erfordert die Digitalisierung einen neuen, einen anderen Führungsstil? Der Wandel ist beständig und ändert grundlegend bisherige Muster.

Beispiele für den kulturellen Wandel durch die Evolution der Digitalisierung

  • Wissensarbeiter können durch die Vernetzung weltweit lernen und ihre Arbeiten verrichten.
  • Mitarbeiter erwarten digitale Kompetenz vom Arbeitgeber.
  • Suchmaschinen und kognitive Algorithmen beeinflussen das Sozial- und Konsumverhalten.
  • Maschinen ersetzen zunehmend menschliche Leistungen und Arbeit.
  • Sharing ist en vogue und zieht sich durch viele Lebensbereiche.
  • Soziale Netzwerke bilden unser gesellschaftliches Umfeld ab.
  • Virtual Reality verändert die Berufswelt.
  • Künstliche Intelligenz und kognitive Systeme verändern den Arbeitsmarkt.
  • Neue Führungsmodelle und Denkansätze

Demokratische Strukturen und Partizipation:
Mitarbeiter brauchen den Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette, die sogenannte Value-Chain, um innovativ und mit Eigenverantwortung  arbeiten zu können.
Motivieren und inspirieren:
Überreden und Anweisungen durch Coaching ersetzten, Führen ohne Weisungen und  Anordnungen, aber mit Vertrauen und Wertschätzung realisieren.
Agilität leben:
Die Digitalisierung erfordert eine schnelle und dynamische Anpassung an Veränderungen.
Disruption:
Inkrementelle Innovationen im  Kontext von Geschäftsprozessen reichen nicht mehr aus.  Neue Geschäftsmodelle radikal  andenken durch Umdenken.
Schnellere Time-to-Market:
Mit agilen Produktionsmethoden Lösungen und Produkte schneller auf den Markt bringen. Agiles Testen mit Kunden und Partner vorantreiben.

Neue und offene Fehlerkultur

Adaptieren Sie Denkweisen US-amerikanischer Konzerne  und schnuppern Sie die Aufbruchstimmung zum Beispiel aus dem Silicon Valley. Lernen Sie aus Misserfolgen und definieren Sie diese als Weg zum Ziel.

Nur das Ergebnis zählt
Gute Ergebnisse von Mitarbeitern, die das Unternehmen weiterbringen, können durchaus auch dezentral aus dem Homeoffice erbracht werden.

Silodenken abschaffen
Bahnbrechende Ideen und neue Geschäftsmodelle entstehen meistens abteilungsübergreifend durch den Austausch von Erfahrungen.

Feste Arbeitszeiten überdenken
Agile Projektteams in Konzernen arbeiten ohne feste Arbeitszeiten.

Inkrementelle Innovation vs. Disruption

Disruption
Das Prinzip der Disruption geht auf Clayton M. Christensen und seinen Fachaufsatz „Catching the wave“ (1995) zurück.
Disruptive Innovationen sind meist am unteren Ende des Marktes und in neuen Märkten zu finden. Die neuen Märkte entstehen für die etablierten Anbieter in der Regel unerwartet und sind für diese, besonders aufgrund ihres zunächst kleinen Volumens oder Kundensegmentes, uninteressant. Sie können im Zeitverlauf ein starkes Wachstum aufweisen und vorhandene Märkte bzw. Produkte und Dienstleistungen komplett oder teilweise verdrängen.
Disruptive Technologien sind etablierten Produkten anfangs meist unterlegen. Beispiele für disruptive Technologien sind die Flash-Technologie, Smartphones oder auch Uber und Mitfahrzentralen für Taxis.
(Quelle: Wikipedia)

Inkrementelle Innovation
Als inkrementelle Innovation wird die stetige, schrittweise und nachhaltige Verbesserung eines Produktes, eines Dienstes oder eines Geschäftsmodells bezeichnet.
In stabilen Märkten sichert diese durch feste Zuständigkeiten, klare Regeln und definierte Abläufe gekennzeichnete Form der Innovation den Unternehmen ihre Wettbewerbsposition. Bekannte Technologien oder auch Produkte, Dienstleistungen und Prozesse werden dabei weiterentwickelt, bleiben im Kern aber erhalten. Ähnlich einer Versionierung.
Inkrementelle Innovation setzt auf die vorhandenen Vertriebskanäle und wird aus der Kundenperspektive heraus als Neuauflage betrachtet. Eine inkrementelle Innovation folgt aus dem im Unternehmen vorhandenen Erfahrungsschatz. Es müssen keine Mitarbeiter neu eingestellt werden – neue Ideen kommen aber häufig nur von außen.

 

Der Chief Digital Officer

Potenziale der Digitalisierung fürs eigene Unternehmen ausschöpfen.

von Rolf Dreier

Fast alle Branchen sind von der digitalen Transformation betroffen. Unternehmen, die ihren Finger am Puls der Zeit haben und wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen zeitnah handeln – eine Wahl gibt es nicht. Die schwierige Aufgabe, eine digitale DNA im Unternehmen zu verankern, übernimmt ab jetzt der Chief Digital Officer.

Große Konzerne wie TUI Deutschland, die Bayer AG und die Deutsche Bank haben in ihrer Chefetage bereits Platz für den CDO geschaffen und lassen sich von ihm den Weg in die digitale Zukunft ebnen. Auch in vielen mittelständischen und kleineren Unternehmen ist die Digitalisierung zur Wettbewerbssicherung unerlässlich geworden. Leider trifft man vor allem in kleinen Unternehmen selten einen CDO oder eine vergleichbare Führungskraft an: ein fataler Fehler.

Warum Chief Information Officer und Chief Marketing Officer die Digitalisierung nicht alleine stemmen können

Jedes Unternehmen sollte im 21. Jahrhundert einen CDO oder eine vergleichbare Führungskraft haben, die ebenso wie der CIO und CMO im oberen Management des Unternehmens angesiedelt ist. Die Notwendigkeit, für den CDO eine eigene Stelle zu schaffen, wird aber noch nicht von allen Unternehmen gesehen. Der Glaube, die vorhandenen Führungskräfte könnten die Aufgaben des CDOs mittragen, ist aber falsch. Zwar arbeiten CIO, CMO und CDO innerhalb des Unternehmens eng miteinander zusammen, ihre Aufgabenbereiche aber sind verschieden.

Der CIO plant und realisiert die IT-Projekte in einem Unternehmen. Er ist auf die Technologien spezialisiert, die für die digitale Transformation verantwortlich sind und sie ermöglichen. Der CMO trifft strategische Entscheidungen in allen marketingrelevanten Bereichen eines Unternehmens. Die Herausforderungen der digitalen Transformation und die Aufgaben des CDOs ist jedoch die Verschmelzung dieser Einzeldisziplinen: Der CDO ist das Bindeglied zwischen Marketing, IT und der Geschäftsleitung und für die Umsetzung und langfristige Verankerung der Digitalisierung des Unternehmens verantwortlich. Er vernetzt alle digitalen Prozesse über die Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinaus und muss dabei stets auf den Kundennutzen bedacht sein.

Alle Unternehmensbereiche sind von der digitalen Transformation betroffen

Die digitale Transformation verändert unsere Kommunikation und Arbeitsweise grundlegend. Ein Management, das Antworten auf die Fragen entwickelt, wie die komplexen Veränderungen bewältigt werden können, ist daher für Unternehmen unverzichtbar. Je nach Unternehmensgröße kann es sogar sinnvoll sein, den CDO mit einem eigenen Team auszustatten.
Die Art der Kommunikation verändert durch Smartphones und soziale Medien nicht nur den Kontakt zum Endkunden, sondern auch den Austausch innerhalb der Unternehmensbereiche: die Unternehmenskultur und Produktionsprozesse stehen vor einem Wandel. Online- und Offline-Kanäle verschmelzen, E-Commerce findet mehr und mehr auch zwischen Geschäftskunden statt und die Entwicklung neuer Produkte erfolgt im digital unterstützten Dialog mit den Kunden.

Der Chief Digital Officer hat ein umfangreiches Profil

Die Aufgabenbereiche des CDOs sind weit gefächert, weil er alle unternehmensinternen Prozesse in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen effizienter gestalten und auf die digitale Welt hin ausrichten muss. Es versteht sich also von selbst, dass alleiniges IT- oder Marketing-Know-how für den verantwortungsvollen Job des CDOs nicht ausreicht. Ein CDO braucht ein fundiertes BWL-Know-how, eine ausgeprägte Medien- und Digitalkompetenz, umfangreiches Wissen im E-Commerce, Projekterfahrung, ein exzellentes Datenverständnis und langjährige Erfahrung in Führungspositionen. Selbst schon einmal ein Startup gegründet zu haben und verschiedene Unternehmensgrößen aus dem eigenen Arbeitsalltag zu kennen, ist für den Job als CDO ebenfalls vorteilhaft.
Einen klassischen Werdegang zum CDO gibt es nicht. Er kommt aus den verschiedensten Bereichen wie der Volks- und Betriebswirtschaft, der Informationstechnologie, dem Dienstleistungssektor, der Produktentwicklung oder Kommunikation. Neben den zahlreichen fachlichen Kompetenzen muss ein CDO noch eine ganze Palette sozialer Kompetenzen mitbringen, um die digitalen Themen im Unternehmen erfolgreich vorantreiben zu können.

Ein moderner Leadership-Stil ist das A und O

Auf dem Weg der Digitalisierung eines Unternehmens reicht es nicht aus, eine Strategie zu entwickeln. Entscheidend ist die Umsetzung, an der alle Mitarbeiter der verschiedenen Unternehmensbereiche beteiligt sind. Es ist einerseits Aufgabe des CDOs, die Voraussetzungen für eine umfassende Digitalisierung zu schaffen, andererseits aber auch, alle Mitarbeiter auf dem Weg der digitalen Transformation mitzunehmen, Impulse zu geben und bei der Umsetzung den Überblick zu behalten.
Was jeder CDO zusätzlich zur fachlichen Kompetenz benötigt, ist die Fähigkeit, im Team offen, transparent und kooperativ zu arbeiten. Ein CDO braucht Mut, Überzeugungskraft, Kommunikationsbereitschaft, Leidenschaft für die digitale Welt, Energie, Integrität und viel Geduld. Die umfassende Digitalisierung der Unternehmenswertschöpfungskette ist das Ziel des CDOs. Der Weg dorthin ist ein langer Prozess, bei dem der CDO die Unterstützung aller Mitarbeiter braucht und eng mit dem CIO, CMO und der Geschäftsleitung zusammenarbeiten muss.

Jedes zukunftsorientierte Unternehmen sollte eine digitale Führungskraft haben

Die digitale Transformation ist keine Eintagsfliege. Je früher Unternehmen das Potenzial der Digitalisierung für sich erkennen und ihre Veränderungen für sich nutzen, desto wettbewerbsfähiger und produktiver werden sie in Zukunft sein. Kein Unternehmen kann sich der Digitalisierung entziehen. Die Frage, ob man bei der Digitalisierung mitmacht, stellt sich nicht – es geht lediglich um das Wie. Und genau für dieses Wie ist eine digitale Führungskraft notwendig.
Alle Prozesse innerhalb eines Unternehmens auf digitale Komponenten hin auszurichten, ist eine schwierige Aufgabe, die nicht nebenbei laufen oder auf bestehende Posten im Unternehmen verteilt werden kann. Vielmehr braucht es für diesen langen Prozess eine eigene Führungskraft, die sich vollkommen der ganzheitlichen Entwicklung des digitalen Geschäfts widmet und dabei das Potenzial der Digitalisierung für das Unternehmen ausschöpft. Deshalb benötigen auch kleinere Unternehmen eine digitale Führungskraft, die trotz oft limitierter Ressourcen kreativ und effektiv auf die neuen Gegebenheiten reagiert.

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Mindset: Digital Change

Dringend und wichtig – doch was genau ist „Digitalisierung“ eigentlich?

von Robin Weninger, Anne-Lena Jost und Sophia Bolz

Digitalisierung steht für viele Unternehmen fest auf der Agenda. Laut aktueller PWC-Studie planen 72 Prozent aller Unternehmen, ihren Digitalisierungsgrad in den kommenden fünf Jahren erheblich auszubauen und investieren massiv in moderne Technik.(1)
Doch der Schritt zur digitalen Organisation bedingt noch mehr, nämlich eine weitreichende kulturelle Veränderung – ein Aspekt, der von den Initiatoren oft erst zu spät erkannt wird und dann nicht selten dazu führt, dass der Digitalisierungsprozess ins Stocken gerät oder gar scheitert. Die Verantwortung für das „Projekt Digitalisierung“ kann schon allein aufgrund der Komplexität und des nötigen Kulturwandels nie allein bei einer Abteilung liegen, z. B. der IT, sondern muss von Anfang an das gesamte Unternehmen betreffen.

Digitalisierung ist viel mehr als nur eine Frage der Technologie. Es geht um ein Mindset.

Der Digitalisierungsprozess stellt fast alle Unternehmen vor dieselben Herausforderungen. Es kürzt den Gesamtprozess ab und verhindert Fehler, diese Herausforderungen bereits vorab zu kennen und nicht erst mühsam herausarbeiten zu müssen.

Robin Weninger

Komplexität und Neuartigkeit
Digitalisierung ist komplex und betrifft alle Organisationsbereiche und Hierarchieebenen. Die relative Neuartigkeit des „Projekts Digitalisierung“ für das Unternehmen macht das Vorhaben weitgehend unberechenbar und schwer planbar.

Kompetenzen und Ressourcen
Organisationen, die sich ausschließlich auf unternehmenseigene Ressourcen verlassen, begehen oftmals schwerwiegende Fehler im Digitalisierungsprozess. Denn in der Regel ist es nicht zu erwarten, dass es im Unternehmen bereits Experten in Sachen Digitalisierung gibt. Diese sind jedoch nötig, um den Projekterfolg sicherzustellen.

Lern- und Veränderungsbereitschaft
Unternehmen, die Mitarbeiter sämtlicher Bereiche nicht zur stetigen Optimierung veranlassen, sondern es erlauben, sich auf dem Status quo auszuruhen, werden den wirtschaftlichen Vorteil der Digitalisierung verfehlen – Stichwort Intrapreneurship. Die Organisation muss sich dafür öffnen, neue, unkonventionelle Wege zu gehen und ihre Mitarbeiter stärker auch in strategische Prozesse und die Innovationsfindung einzubinden.

Ganzheitliches Change-Management
Der hohe Grad an Veränderung erfordert exzellentes Change-Management. Im Rahmen dieses Wandels werden oftmals auch zentrale Unternehmenswerte und die Identität hinterfragt und gegebenenfalls neu definiert, was erhebliche Auswirkungen haben kann. Ein holistischer Blick auf die Organisation ist daher schon während der Planungsphase nötig.

Reorganisation und Transparenz
Klassische hierarchische Strukturen werden zunehmend durch Projektlandschaften abgelöst. Damit entsteht aufseiten der Mitarbeiter, aber auch des Managements, automatisch die Forderung nach mehr Transparenz, Konnektivität und aktiver Teilnahme am Firmengeschehen. Unternehmen müssen daher definieren, wie Organisationsstrukturen in Zukunft aussehen sollen.

Kommunikation
Der Bedarf an Verfügbarkeit und Relevanz von Informationen steigt. Dies fordert eine systematische Anpassung der internen Kommunikation, sowohl auf inhaltlicher als auch auf technischer Ebene. Die Themen „Kommunikation“, „Kollaboration“ und „Lernen“ rücken in den Fokus.

Agilität und Flexibilität
Technologiezyklen werden immer kürzer und fordern permanente Veränderungsbereitschaft. Was heute strategisch richtig ist, kann morgen irrelevant sein. Manager müssen planen und die Richtung vorgeben, gleichzeitig aber auch hinterfragen, wann es Zeit ist, den Kurs zu ändern. Wertvolle Impulse kommen nicht mehr nur Top-down, sondern werden auch von den Mitarbeitern ins Unternehmen getragen. Ein offenes Ohr hierfür ist essenziell. Regelmäßige Reflexion und Kollaboration müssen fest im Tagesgeschäft verankert werden. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen sind bereits eine große Aufgabe für jede Organisation. Und je größer die Organisation ist, umso komplexer und schwieriger wird die Aufgabe.

Der Digital Leader – Stratege, Visionär und Change-Manager in einer Person

Solche tiefgreifenden Veränderungen erfordern ein systematisches fachliches Vorgehen sowie ein professionelles Change-Management. Gerade Letzteres ist enorm wichtig. Denn, wie in fast allen Change-Projekten, spielen neben harten Fakten die Emotionen der Mitarbeiter (etwa Erwartungen, Hoffnungen und vor allem Befürchtungen) eine entscheidende Rolle. Erfahrene Change-Manager können soziale Prozesse entsprechend gestalten und die Mitarbeiter dort abholen, wo sie gerade stehen.

Aus all diesen Erkenntnissen ergibt sich: Der digitale Wandel kann nicht „nebenbei“ erfolgen. Er gelingt nur, wenn die Chefetage die Digitalisierung aktiv vorantreibt, die beteiligten Mitarbeiter mit den nötigen Kompetenzen ausstattet und das Gesamtunternehmen in die Verantwortung nimmt.
Der Wichtigkeit dieses Prozesses tragen immer mehr Unternehmen Rechnung, indem sie eine eigene Rolle hierfür im Vorstand schaffen: Den „Chief Digital Officer“ (CDO) oder auch „Digital Leader“.
Der Digital Leader hat dabei drei primäre Aufgaben:

  •     die digitale Strategie langfristig planen;
  •     die (digitale) Veränderung gestalten;
  •     die digitalen Fähigkeiten der Organisation ausbauen.

Nichtsdestotrotz bleibt bei all den Herausforderungen und unzähligen Veränderungsinitiativen eine zentrale Frage bisher unbeantwortet: Wie kann Digitalisierung im Unternehmen gelingen?

Der Digital Leader

Die hierarchische Position des Digital Leaders im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung hat sich als kritischer Erfolgsfaktor erwiesen, da der Digital Leader zwingend mit den erforderlichen Einfluss- und Steuerungsmechanismen ausgestattet sein muss. Dabei steht und fällt der Erfolg digitaler Maßnahmen mit der Person des Digital Leaders, der idealerweise folgendes Profil aufweist:
Fachlich sollte es sich um einen Experten auf dem Gebiet der Digitalisierung handeln, der bereits Erfolge vorweisen kann.
Zudem muss ein Digital Leader in der Lage sein, das Geschäftsfeld bzw. den Unternehmenszweck vollumfänglich zu begreifen und auf dieser Basis die digitale Vision des Unternehmens mitzugestalten, weiterzutragen und die Langzeitimplementierung digitaler Initiativen zu leiten.
Er muss ein Team zusammenstellen und anleiten können und mit seinem Team sowohl die Bedürfnisse des Business als auch die technische Seite verstehen und beide integrieren können.

Erfahrene Change-Ma­nager können soziale Prozesse entsprechend gestalten und die Mitarbeiter dort abholen, wo sie gerade stehen.

Der CDO und sein Team müssen das Handwerkszeug eines Change-Managers virtuos beherrschen, effektiv über alle Hierarchieebenen hinweg kommunizieren und die Mitarbeiter für ihre Sache begeistern können.
Darüber hinaus spielen nicht nur digitale Kompetenzen und die richtige Einstellung eine wichtige Rolle, sondern auch traditionelle Führungsfähigkeiten werden dem CDO immer wieder abverlangt – ein Spagat, der dem CDO gelingen muss.
Der CDO muss visionär sein und sich stetig weiterbilden, um mit der voranschreitenden Technologie mitzuhalten. Er pflegt daher den Austausch mit Experten sowie idealerweise auch mit anderen Organisationen. Gerade ein Blick über den Tellerrand hinaus zu rein digitalen Geschäftsmodellen ist dabei erfolgversprechend. Es ist daher kein Zufall, dass viele erfolgreiche CDOs Erfahrungen und hervorragende Kontakte in der digital orientierten Start-up-Szene haben und diese aktiv nutzen.

Roadmap Digitalisierung – in vier Schritten zur digitalen Organisation

Das Wichtigste, um den Digitalisierungsprozess erfolgreich zu durchlaufen, ist ein planvolles Vorgehen. Die folgenden vier Schritte geben einen groben Überblick darüber, wie der Prozess sinnvoll gegliedert werden kann.

Schritt 1: Bestandsaufnahme und Analyse des Status quo
Unternehmen auf dem Weg zur Digitalisierung sollten zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen. Diese sollte in drei Dimensionen geschehen.

  • In der ersten Dimension wird evaluiert, wie sich die Umwelt des Unternehmens verändert und entwickelt. Daraus ergeben sich Rückschlüsse für das eigene Geschäft. Wichtig ist es hierbei, die technologische Entwicklungsgeschwindigkeit realistisch einzuschätzen. Dinge, die wir erst in fünf Jahren erwarten, können im digitalen Zeitalter schneller Realität werden als gedacht.
  • In der zweiten Dimension werden die unternehmenseigene Strategie, die Kultur und die aktuellen Initiativen kritisch überprüft. Zur Analyse bieten sich Workshop-Formate an, in denen diverse Gruppen diskutieren. Beziehen Sie hier nicht nur Befürworter der Veränderung mit ein, sondern auch Gegner, Mitarbeiter aller Altersgruppen und Hierarchieebenen. Denn Diversität der Diskussionsgruppen hat sich als wichtiger Erfolgsfaktor erwiesen, um kritische, facettenreiche und praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten.
  • Die dritte Dimension analysiert die Themenbereiche Prozesse, Personal und Technologie. Dies kann sehr gut durch klassische Gap-Analysen adressiert werden. Im Bereich der Prozesse wäre das z. B. zu durchleuchten, welche Prozesse durch Digitalisierung optimiert werden können – immer mit dem Grundgedanken: Pures Digitalisieren ohne zu hinterfragen und zu optimieren, führt zu keinem idealen Ergebnis. Im Personalmanagement und im Technologiemanagement geht es vorrangig darum, herauszufinden, welche Fähigkeiten bzw. Technologien aufgebaut werden müssen.

Schritt 2: Aufstellung strategischer Initiativen und der Start erster Pilotprojekte
Definieren Sie nun erste Initiativen. Starten Sie im Anschluss mit ersten Pilotprojekten. Anhand dieser kann das Digital-Leadership-Team „üben“. Alle übrigen Mitarbeiter werden kommunikativ eingestimmt und erste Erfolge motivieren die gesamte Organisation. Insbesondere wenn vorherige Change-Projekte in Ihrem Unternehmen gescheitert oder in Verruf geraten sind, ist es wichtig, dass die Pilotprojekte ein Erfolg werden. Stellen Sie dies durch ausreichende Ressourcen und die volle Unterstützung durch das Topmanagement sicher.

Schritt 3: Formulierung eines digitalen Reifeplans
Dieser Schritt auf der Agenda beginnt genau genommen parallel zu Schritt 2 oder nur kurz zeitversetzt.
Es geht im Reifeplan darum, den Rest der Organisation so zu optimieren, dass sie mit der angestrebten Digitalisierung mithalten kann. Konkret heißt das: Prozesse, Mitarbeiter und Technologien müssen zielgenau weiterentwickelt werden. Die in der Bestandsaufnahme gefundenen Lücken zwischen Soll- und Ist-Zustand sollten während der Reifeplanphase bestmöglich geschlossen werden. 

Auch hierbei handelt es sich um ein konkretes Projekt, das vom CDO und seinem Team koordiniert werden muss. Die Ausführung obliegt aber maßgeblich den Fachabteilungen – vor allem (aber nicht ausschließlich) HR, IT und Operations.
Gemeinsam mit den betreffenden Fachabteilungen erarbeitet der CDO zunächst jeweils die konkreten Ziele auf Basis der Bestandsaufnahme und des Soll-Ist-Vergleichs und entwirft einen realistischen Projektplan. Den Fachabteilungen obliegt es nun, die Umsetzung der Projekte gegebenenfalls wieder in Teilprojekte herunterzubrechen, zu delegieren und deren Durchführung sicherzustellen.
Was sehr einfach klingt, erweist sich in der Realität leider oftmals als höchst komplex: Im Projektverlauf fallen den Fachabteilungen fast immer zusätzliche Handlungsschritte auf, die nötig sind, um den Reifeplan einzuhalten.

Anne-Lena Jost

So wird Personalabteilungen während der Phase der Mitarbeiterweiterentwicklung gelegentlich bewusst, dass die ganze Firmen- oder Managementkultur einem Wandel unterzogen werden muss – ein Mammutprojekt! IT-Abteilungen stoßen während der Technologieanpassung nicht selten auf Programme oder Daten, die so veraltet oder kryptisch sind, dass eine zeitraubende Detektivarbeit beginnt, um herauszufinden, wozu diese eigentlich dienen und wie damit zu verfahren ist.
So werden aus anfangs überschaubaren Projekten häufig komplexe, ineinander verflochtene Herausforderungen. Diese sind nur zu lösen, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, systematisch miteinander kommunizieren und sich nicht scheuen, Experten von außen oder zusätzliche Fachkräfte für die Bewältigung der Aufgaben hinzuzuziehen. 

Allein das Wissen darum, dass dieser agile Projektverlauf üblich und keineswegs die Ausnahme ist, hilft den Beteiligten bereits, damit umzugehen. Ein erfahrener CDO ist sich dessen bewusst und wird von vornherein entsprechend kommunizieren und handeln.
Die Reifeplanphase ist eine höchst sensible Phase im Digitalisierungsprozess, da sie bereits viele Mitarbeiter einbezieht, die nicht zum Kern-Projektteam gehören. Diese dauerhaft motiviert zu halten und Frustration aufseiten der beteiligten Mitarbeiter und des Managements zu verhindern, ist eine wahre Meisterleistung – und ebenso wichtig, wie der Erfolg der definierten Teilprojekte.
Digitalisierungsprojekte, die in dieser wichtigen, aber schwierigen Phase die Unterstützung der Mitarbeiter verlieren, werden – nach unserer Erfahrung – mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern.

Sophia Bolz

Schritt 4: Integration in das Tagesgeschäft
Wenn während der oben genannten Schritte alles planmäßig verlief, sollten erste Pilotprojekte erfolgreich abgeschlossen und in die Organisation übergeben worden sein und das Unternehmen sollte einen möglichst hohen digitalen Reifegrad erlangt haben. Da in der Regel die Ergebnisse all dieser Initiativen nicht zeitgleich auf die Mitarbeiter einprasseln, sondern immer mal wieder etwas Neues hinzukommt, wird aus der digitalen Revolution eine digitale Evolution – ein weniger disruptiver (und damit weniger schmerzhafter), aber niemals endender Change-Prozess.
Unterstützt durch die richtige Kommunikation und gezielte Managemententscheidungen, gelingt damit auch eine positive Einstellung der Mitarbeiter zu Veränderungen: Statt sie zu fürchten, lernen Mitarbeiter, aktiv zu partizipieren – ein essenzieller Bestandteil des „Digital Mindset“ und des „Intrapreneurships“, das die Organisation benötigt.
Schritt für Schritt geht die Organisation also zum Tagesgeschäft über. Die digitalen Aspekte werden zunehmend als Normalität erlebt. Mitarbeiter sind mehr und mehr ermutigt und befähigt, persönlich aktiv zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beizutragen.
Doch die Arbeit des CDOs und seines Teams ist damit noch lange nicht getan: Nun gilt es, Augen und Ohren offen zu halten, Entwicklungen von außen und innen gezielt zu analysieren und die Organisation stetig weiterzuentwickeln. Denn die nächste neue Technologie, die ganze Geschäftsfelder revolutionieren kann, steht womöglich schon in den Startlöchern!
Das in Schritt 2 gebildete Projektteam kann hier als Task-Force agieren oder aber einzelne Teammitglieder können selbstständig weitere Projekte übernehmen bzw. anleiten. Das Ziel muss sein, die Organisation dauerhaft nicht nur technologisch auf einem hohen Standard zu erhalten, sondern vor allem das agile, digitale Mindset in allen Ebenen zu fördern und im Idealfall einen Willen zum Intrapreneurship in jedem einzelnen Mitarbeiter zu verankern.
Natürlich beinhaltet jeder Schritt für sich genommen wieder viele weitere Einzelinitiativen, deren Umfang den Rahmen dieses Kapitels aber sprengen würde. Wollen Sie mehr über konkrete Handlungsempfehlungen, Best Practices und Tipps erfahrener Digital Leader wissen, empfehlen wir Ihnen das kostenfreie eBook „Workbook Digital“.

Zusammenfassung und Fazit

Digitalisierung ist ein dringendes und wichtiges Thema für viele Unternehmen. Insbesondere die kulturellen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Organisation dürfen nicht vernachlässigt werden. Denn oftmals ist Digitalisierung für Unternehmen viel mehr eine kulturelle Veränderung statt eine rein technologische. Ein exzellentes Change-Management, geprägt durch einen kompetenten Digital Leader, sowie eine strukturierte Roadmap legen das Fundament zur Meisterung des digitalen Wandels.

Digitalisierung ist neuartig für viele Organisationen und Fehler innerhalb der Initiativen werden nicht ausbleiben.

 

(1)  Quelle: Industry 4.0: Building the digital Enterprise, PWC, 2016 – https://www.pwc.com/gx/en/industries/industries-4.0/landing-page/industry-4.0-building-your-digital-enterprise-april-2016.pdf

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/


Informationen zu Robin Weninger

Informationen zu Anne-Lena Jost

Informationen zu Sophia Bolz

Digitalisierung heißt Kulturwandel

von Jürg Stuker

Man nehme eine Portion Cloud-Computing, dazu Big Data, vielleicht noch eine Prise Indus­trie 4.0 – und schon funktioniert der digitale Wandel. Nach diesem Rezept verfahren viele Unter­­nehmen. Doch wer Digitalisierung auf Tech­nologien reduziert, liegt falsch. Wichtig ist ein An­satz, der holistisch die gesamte Unternehmung ins Visier nimmt. Dazu zählen die Anpassung der Unternehmenskultur und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, aber auch und gerade die Anpassung der Prozesse und damit der Organisation.

Der digitale Wandel zählt laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Bitkom Re­search für 72 Prozent der deutschen Unternehmen zu den größten Herausforderungen. Zugleich stufen 88 Prozent die Digitalisierung als Chance ein. Wie eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie in der Praxis aussehen kann, zeigen Beispiele aus unterschiedlichen Branchen. Sie belegen, dass es nicht nur darauf ankommt, neue Technologien einzusetzen. Auch „weiche“ Faktoren wie die Unternehmenskultur spielen eine wichtige Rolle.

Chance statt Bedrohung: Deutsche Unternehmen betrachten den digitalen Wandel als positive Entwicklung. Quelle: bitkom research

Dem Innovationsdruck standhalten

Ein zentrales Element der digitalen Transformation ist die Herausforderung, schneller, besser und vor allem innovativer zu sein als Mitbewerber. Das erfordert gut ausgebildete und engagierte Mitarbeiter, vor allem im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik (ICT). Doch solche Fachleute sind Mangelware. So stufen laut der Studie von Bitkom Research 73 Prozent der deutschen Unternehmen die Suche nach geeigneten Fachkräften als Hürde bei der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ein. Mit vergleichbaren Herausforderungen sieht sich die Swisscom konfrontiert, der führende Telekommunikationsanbieter der Schweiz. Um sich als attraktiver Arbeitgeber im Bereich ICT zu positionieren, setzt das Unternehmen auf ungewöhnliche Maßnahmen im Bereich „Employer-Branding“. Eine davon ist das „Project 365d“. Drei talentierte Absolventen von Studiengängen in der ICT-Sparte leben ein Jahr lang gemeinsam in einer Wohngemeinschaft. An einem Tag entwickeln sie dabei Ideen zum Wohnen der Zukunft: Sie vernetzen beispielsweise Möbel oder arbeiten an sprechenden Kühlschränken. An den anderen vier Tagen absolvieren sie ein Praktikum in der Innovationsabteilung von Swisscom. Über ihre Erfahrungen berichten die WG-Bewohner im ICT-Blog des Unternehmens. Außerdem laden sie Fachleute in ihre „Wohnung der Zukunft“ ein und diskutieren mit diesen über „smarte“ Einrichtungsgegenstände. Das Project 365d hat sich für Swisscom voll bezahlt gemacht. So rückte das Unternehmen von Platz 10 auf Rang 3 im Universum-Ranking der beliebtesten Arbeitgeber in der Schweiz. Außerdem konnten die Kosten für das Recruiting neuer Mitarbeiter halbiert werden. Die Investitionen in das Projekt haben sich somit mehrfach amortisiert.

Neue Geschäftsmodelle entwickeln

Ein Effekt der Digitalisierung ist, dass beste­hende Geschäftsmodelle in Frage gestellt wer­den. Laut der Studie von Bitkom Research haben es bereits 54 Prozent der Firmen in Deutschland mit Mitbewerbern aus dem Digitalsektor zu tun. Das heißt, Geschäftsmodelle müssen angepasst werden. Wie sich ein solcher Strategiewechsel durchführen lässt, zeigt das Medizintechnik-Unternehmen Medela AG aus Baar, südlich von Zürich. Medela hat sich auf medizinische Vakuum-Technologien und Pro­dukte für stillende Mütter spezialisiert. Bis 2014 nutzte das Unter­nehmen ausschließlich Fachhändler als Vertriebskanal. Mittlerweile aber hat Medela über digitale Angebote einen direkten Zugang zu Endkunden eingerichtet, zum Beispiel mit der MyMedela-App. Sie spricht Mütter an, die Infor­mationen zum Thema Stillen suchen. Außerdem ermöglicht die Anwendung, direkt mit Kunden zu interagieren. Ergänzend dazu hat das Unternehmen das Vertriebsmodell „digitalisiert“: Die Produkte für Konsumenten und für Fachkunden sind über Online-Shops in Europa, Nordamerika und Australien verfügbar. Medela hat somit sein Geschäftsmodell radikal geändert und bietet seine Produkte direkt an. Die Veränderung zeigt sich auch in der Vermietung von Geräten. Somit ist der E-Shop gleichzeitig eine Mietplattform. Parallel dazu besteht weiterhin der klassische indirekte Vertriebskanal.

Technologien nutzen

Die Versicherungsbranche zählt zu den Sparten, die von der Digitalisierung besonders betroffen sind. Das hat SWICA erkannt, ein Spezialist für Unfall- und Krankenversicherungen. Das schweizerische Unternehmen wollte seine Website aufwerten, um die Beziehung zu Kunden zu verbessern und die Zahl der Online-Abschlüsse von Verträgen zu erhöhen.
Umsetzen ließ sich dies nur durch die Implementierung eines neuen Content-Management-Systems (CMS) und eine grundlegende Modernisierung der Website. Ein neues Design macht nun die Website noch ansprechender. Außerdem wurden Elemente integriert, die dem Besucher einen konkreten Nutzen bringen. Dazu zählen ein Prämienrechner und eine Kontaktbox, über die sich Anfragen an SWICA stellen lassen. Solche Elemente sind wichtig, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und die Hürden zu überwinden, die dem (Online-)Dialog mit Kunden im Wege stehen.

Kernaussagen

Digitale Transformation ist ein kontinuierlicher Prozess, der holistisch die gesamte Unternehmung ins Visier nimmt. Eine offene Unternehmenskultur mit Raum für Ausprobieren und Fehler ist genauso wichtig wie technologischer Fortschritt und fachliches Know-how.
Die Arbeit in Teams sowie in Abteilungs- und Unternehmens-übergreifenden Projektgruppen gewinnt an Bedeutung. Eine solche Struktur basiert auf Technologien wie Chats, Wikis und Videokonferenzen.
Digitale Transformation muss vom Manage­ment gesteuert werden. Das sorgt da­für, dass alle Mitarbeiter fachlich wie emo­tional mitgenommen werden, denn sie müssen den Prozess in der täglichen Arbeit leben: Indem sie den Mut haben zu hinterfragen, ihr Wissen teilen und sich über Abteilungen hinweg konstruktiv austauschen.

Prozesse an die Digitalisierung anpassen

Die digitale Transformation ist kein Projekt, sondern ein Prozess, der mit Anpassungen in vielen Unternehmensbereichen verbunden ist. Dass solche Modifikationen Vorteile bringen, zeigt das Beispiel von ABB, einem führenden Unternehmen für Energie- und Automatisierungstechnik. ABB stand vor dem Problem, dass für den Vertrieb seiner Produkte Print-Materialien und PDF-Dokumente genutzt wurden. Doch diese Materialien veralteten schnell, waren teuer und ließen sich nur mit hohem Aufwand aktualisieren.
Die Lösung heißt „Digital Sales Assistant“. Die Applikation stellt über die App „ABB Connect“ eine Vielzahl der Produkte auf Mobilgeräten dar. Außerdem verknüpft sie Informationen, die in 17 000 PDF-Dateien vorliegen, mit den entsprechenden Produkten. Die Vertriebsmitarbeiter von ABB haben nun jederzeit die aktuellen Informationen zur Hand, wenn sie mit Kunden Gespräche führen, inklusive Videos und PDF-Dokumenten.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Mit ABB Connect lassen sich personalisierte Kundenportfolios erstellen. Spezielle Anforderungen von Kunden gleicht die Anwendung automatisch mit den passenden Produkten von ABB ab und stellt diese als Slideshow bereit. Die Vertriebsfachleute müssen sich daher nicht mit dem Zusammensuchen von Informationen beschäftigen, sondern haben mehr Zeit für den Kunden.

Die Unternehmenskultur muss passen

Eine Prozessoptimierung oder der Einsatz neuer Technologien helfen jedoch für sich alleine genommen nicht, den digitalen Wandel zu meistern. Dieser Prozess muss durch die Mitarbeiter und die Unternehmenskultur mitgetragen werden. Das bestätigt auch eine Studie der Commerzbank. So wollen Mitarbeiter selbstständiger und flexibler arbeiten und zudem mehr Verantwortung übernehmen.
Generell erfordert die digitale Transformation eine transparente und offene Kultur. Hinzu kommt die Bereitschaft, bestehende Strukturen und Abläufe zu hinterfragen und anzupassen. Das gilt beispielsweise für die Arbeitsweise und -prozesse: Die Arbeit in Teams sowie in abteilungs- und unternehmensübergreifenden Projektgruppen gewinnt an Bedeutung. Eine solche Struktur basiert auf Technologien wie Chats, Wikis und Videokonferenzen.
Ergänzend dazu ist eine neue Form des Wissensmanagements erforderlich, etwa in Form interner Wissensnetzwerke. Sie animieren Mitarbeiter dazu, Informationen über Aufgabenbereiche und Best Practices mit Kollegen zu teilen. Außerdem verhindern solche Netzwerke, dass sich Informations-Silos entwickeln. Letztlich erhöht das die Transparenz im Unternehmen und führt dazu, dass sich Menschen, unabhängig von der Organisationsstruktur, für andere Menschen interessieren.
Ein wichtiger Bestandteil einer solchen Unternehmenskultur ist zudem der Umgang mit Fehlern. Nur wer die richtigen Schlüsse aus gescheiterten Projekten und Geschäftsmodellen zieht, entwickelt sich weiter. Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte müssen daher bereit sein, neue Dinge auszuprobieren und Fehler in Kauf zu nehmen. Ein hilfreiches Werkzeug in diesem Kontext ist das Prototyping, also das Aufsetzen von Versuchsmodellen auf dem Weg zum Ziel.

Die digitale Transformation erfordert eine andere Art von Führungskultur, die auf Koordination und
Kooperation setzt statt auf Kontrolle. (Quelle: Commerzbank, Studie UnternehmerPerspektiven im Internet, 2015 TNS Infratest)

Fazit: Das Gesamtpaket muss stimmen

Der digitale Wandel stellt kein unüberwindbares Hindernis dar. Im Gegenteil: Unternehmen können diesen Transformationsprozess in einen wirtschaftlichen Vorteil ummünzen. Die Voraussetzung ist, dass sie sich nicht auf einzelne Aspekte konzentrieren. Vielmehr muss das Gesamtpaket stimmen, von der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bis zur Prozessoptimierung. Nicht übersehen werden dürfen dabei Faktoren wie ein Innovations- und Wissensmanagement und die Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszuschauen. Nur Unternehmen, die eine solche ganzheitliche Sichtweise entwickeln, werden vom digitalen Wandel profitieren.

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/


Informationen zu Jürg Stuker

Optimierte Infrastruktur treibt die digitale Transformation an

Unternehmen aller Größen müssen eine Antwort darauf finden, wie sie die digitale Transformation umsetzen, um zukunftsfähig zu werden. TREND REPORT sprach dazu mit Jürgen Metko, Regional Vice President Web Sales & Managing Director Central Europe bei Akamai, und Sven Klindworth, bei BT für das IT-Lösungsgeschäft in Deutschland und Österreich verantwortlich.

Die digitale Transformation ist ein schillernder Begriff. Was verstehen Sie darunter?

Jürgen Metko

Jürgen Metko: Die digitale Transformation ist ein zentraler Faktor für die Differenzierung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Sie hat Auswirkungen auf das Geschäftsmodell, die Prozess- und die gesamte Wertschöpfungskette. Im Kern geht es um die Entwicklung einer digitalen Unternehmensstrategie. Geschäftsmodell und Prozesse beschreiben die digitale Transformation, bei der die Wertschöpfung ausschließlich im Internet stattfindet. Das lässt sich am Beispiel der sogenannten Cloud-born-Unternehmen wie Airbnb und Uber illustrieren. Sie haben ihre gesamte Wertschöpfungskette im Internet aufgebaut. Aber auch bei den traditionellen Unternehmen zeigt sich ein klarer Trend, dass immer mehr Geschäftsprozesse – und das gilt insbesondere für die Services mit Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern – über das Internet erfolgen.
Sven Klindworth: Ich möchte das um zwei Aspekte ergänzen. Vor allem im B2C-Markt haben es die etablierten Unternehmen mit neuen Wettbewerbern zu tun. Die Cloud-born-Anbieter drängen sich zwischen die Hersteller von Produkten und den Endkunden. Sie brechen die bisherigen Beziehungen zwischen Herstellern und Kunden auf und schaffen Plattformen, auf denen dann der gesamte Mehrwert entsteht, etwa im Buchhandel, in der Musik- und Filmbranche oder im Reisegeschäft. Im B2B-Markt haben auch etablierte Anbieter die Initiative ergriffen. Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe statten ihre Produkte mit Funkchips aus und verkaufen keine Produkte mehr, sondern Services wie Predictive Maintenance oder Echtzeit-Support. Der Hersteller einer Schlagbohrmaschine verkauft keine Ersatzteile mehr, sondern Löcher; und Anlagen, die früher auf eine fünfjährige Nutzungsdauer ausgelegt waren, können per Online-Softwareupdate neue Funktionen erhalten, die vielleicht zehn oder mehr Jahre Investitionsschutz bieten.

Welche Rolle spielt die Cloud bei der digitalen Transformation?
Jürgen Metko: Die digitale Transformation beschreibt den fundamentalen Wandel von Unternehmen hin zu einer mit Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern vollständig vernetzten Organisation. Sowohl im B2C- als auch im B2B-Umfeld sind Anwendungen und Services über das Web zugänglich. Cloud-Technologien bilden daher das Herzstück der digitalen Transformation.
Sven Klindworth: Die digitale Transformation ist ohne die Cloud nicht möglich; vor allem auch deshalb, weil die digitale Transformation nicht auf einen Ort oder einen lokalen Markt beschränkt ist. Wenn Unternehmen neue Marktsegmente und Regionen erschließen wollen, stellt die Cloud die dafür benötigte Daten- und Kommunikationsinfrastruktur bereit. Die GPS-Daten, die die Laufschuhe des Privatkunden, oder die Daten des Reifendrucks, die die Lkws der Logistikunternehmen senden, können nur in der Cloud orts- und zeitnah verarbeitet und ausgewertet werden.

Sven Klindworth

Wie können Sie Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen?
Jürgen Metko: Unternehmen müssen ihre IT – und das betrifft sowohl das eigene Rechenzentrum als auch die Integration und Nutzung von Cloud-Services – so aufstellen, dass sie zu einem reibungslosen „Enabler“ der digitalen Transformation wird. Durch die Einbeziehung von Cloud-Architekturen zur Bereitstellung von Applikationen, Daten und Services auf beliebigen Endgeräten, und oft weltweit, stellen sich für Unternehmen neue Herausforderungen bezüglich Performance, Verfügbarkeit und Sicherheit. Diese können sie allein meist nicht bewältigen. Wer Webapplikationen oder Cloud-Services für Kunden und Lieferanten anbietet, sollte über die Nutzung eines weltweit verteilten „Content Delivery Networks“ (CDN), wie der Akamai Intelligent Platform, sicherstellen, dass die benötigten Kapazitäten auch in Spitzenzeiten flexibel und zuverlässig bereitstehen.
Sven Klindworth: Zuerst einmal bieten wir unseren Kunden im Regelfall dringend benötigte Beratung bei der Entwicklung und Implementierung ihrer Digital-Transformation- und Cloud-Strategie. Darüber hinaus verfügt BT in Deutschland wie auch weltweit über eine eigene Netzinfrastruktur und Rechenzentren, aus denen IT-Services für Unternehmen erbracht werden. Über ein weltweites IP-Netzwerk erhalten Kunden in über 190 Ländern Zugriff auf Data-Center-Services und IT-Lösungen aus einer Hand. In Gemeinschaftsprojekten ergänzen wir uns mit Akamai. Unsere Kunden bringen ihr fachliches und Branchen-Know-how in Digitalisierungsprojekte ein. BT berät und stellt die Rechenzentren, Cloud-Services und Netzwerkkapazitäten bereit und Akamai sorgt mit seinen Web-Performance- und Security-Lösungen für die verlässliche Auslieferung von Daten und Services über das Internet. Zusammen mit Akamai bieten wir Komplettlösungen, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Geschäftsmodelle im Internet erfolgreich umzusetzen.

Kernaussagen

  • Digitale Transformation ist ein entscheidender Faktor zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Bei der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle und -prozesse stellt die Cloud die benötigte Kommunikationsinfrastruktur bereit. Cloud-Technologien bilden so das Herz­stück der digitalen Transformation.
  • Mit einem verlässlichen Partner an der Seite sollten Unternehmen jetzt einen Proof of Concept starten, erste Erfahrungen sammeln und das Wissen möglichst rasch in weiteren Projekten umsetzen.
  • In vielen Branchen gibt es bereits einen Chief Digital Officer, der die digitale Transformation vorantreibt. Er sollte über ein fundiertes technisches und betriebswirtschaftliches Know-how verfügen sowie ein Gespür für innovative Ideen mitbringen.

Welche Herausforderungen gibt es für Unternehmen bei der digitalen Transformation?
Sven Klindworth: Bei der Umsetzung der digitalen Transformation lassen sich drei Gruppen unterscheiden: Erstens die allgemein bekannten Cloud-born-Vorbilder und zweitens die Vorreiter unter den etablierten Unternehmen wie Bosch. Der Automobilzulieferer betreibt eine eigene Cloud für internetbasierte Services und stellt dort Anwendungen aus den Bereichen vernetzte Mobilität, vernetzte Industrie und vernetzte Gebäude bereit. Die dritte Gruppe, sehr viele andere Unternehmen, warten ab und wissen nicht, wie sie anfangen sollen. Das betrifft vor allem die Hidden Champions unter den mittelständischen Unternehmen. Sie sind ingenieursmäßig hervorragend aufgestellt, erkennen aber nicht die Chancen, die sich für ihr Unternehmen aus der digitalen Transformation ergeben. Auch sind Ingenieure im Maschinenbau im Regelfall keine Softwareentwickler.
Jürgen Metko: Wir haben in Deutschland eine bedeutende Fertigungsindustrie mit sehr viel Know-how. Eine der Herausforderungen besteht darin, Schritt zu halten mit der Geschwindigkeit, mit der sich Businessmodelle und Geschäftsprozesse ändern. Hier tun sich viele schwer. Andere Branchen, vor allem aus dem B2C-Bereich, haben einen „Chief Digital Officer“ (CDO) ernannt, der die Digitalisierung vorantreiben soll.

Brauchen Unternehmen einen CDO oder kann die IT den digitalen Wandel alleine vorantreiben?
Jürgen Metko: Die meisten Unternehmen haben erkannt, dass sie sich mit der digitalen Transformation befassen müssen, aber es mangelt an einem Plan, wie sie die weitere Digitalisierung anpacken sollen. Der CDO sollte ein Gespür für innovative Geschäftsideen mitbringen, aber auch über ein fundiertes technisches und betriebswirtschaftliches Know-how verfügen.
Sven Klindworth: Dem kann ich mich nur anschließen. Die digitale Transformation ist nicht allein die Sache eines CIO, auch wenn sich dessen Rolle hin zu einer viel stärkeren proaktiven Unterstützung der Fachbereiche entwickelt. Er ist mit Datacentern, Applikationen und Netzen oft schon ausgelastet. Stärkeres unternehmerisches Denken und Querdenken, um beispielsweise das Potenzial von Industrie 4.0 und dem Internet of Things zu erkennen und mit branchenspezifischem Know-how zu kombinieren, erfordert die zusätzliche Rolle des CDO. Diesem kommt zusätzlich der Aufbau einer Partnerlandschaft zu, die man gegebenenfalls braucht, um eine Plattform für Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner aufzubauen.

Definition „Content Delivery Network“

Ein „Content Delivery Network“ (CDN) ist ein geografisch verteiltes, aus einer Vielzahl spezieller Server bestehendes Netzwerk. Unternehmen nutzen es für eine schnelle, zuverlässige und sichere Auslieferung von Websites, Web-Applikationen und Unterhaltungsangeboten für Privat- und Geschäftskunden. Akamai betreibt das weltweit größte CDN mit mehr als 220 000 Servern in über 120 Ländern. Um Webinhalte möglichst zügig an die Endbenutzer ausliefern zu können, nutzt das CDN das Edge-Caching. In einem Zwischenspeicher werden auf den Edge-Servern Kopien von Texten, Bildern, Audio­dateien und Videos vorgehalten. Nutzeranfragen können so von einem nahe gelegenen Edge-Server anstatt von einem geografisch entfernten Ursprungs-Server beantwortet werden. Zur schnellen Bereitstellung von Inhalten kommen darüber hinaus Techniken wie Routenoptimierung und TCP-Verbindungsoptimierung zum Einsatz.

Welche Handlungsempfehlungen können Sie Unternehmen geben?
Sven Klindworth: Nach einer Phase der Information und Diskussion ist es jetzt Zeit zu handeln. Unternehmen sollten mit einem verlässlichen Partner an ihrer Seite einen Proof of Concept starten und Erfahrungen sammeln. Sie werden sicherlich im ersten Anlauf nicht alles richtig machen, aber wertvolle Erkenntnisse erwerben, um dann die nächsten Stufen zu starten. Unternehmen eröffnen sich damit Möglichkeiten, ihre Geschäftsmodelle und Services in Richtung Kunden weit attraktiver und damit profitabler zu gestalten und können agiler auf neue Anforderungen in ihren Märkten reagieren. Wer hingegen jetzt zögert, könnte in wenigen Jahren vom Markt verschwunden sein.
Jürgen Metko: Unternehmen sollten durch einen effizienten Einsatz der Cloud die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört, dass die Applikationen und Services stets performant und ohne Unterbrechungen zur Verfügung stehen – unabhängig vom Standort und dem verwendeten Endgerät. Möglichst viele Daten und Services sollten daher auf den Servern eines verteilten CDNs dezentral und regional bereitstehen, um von dort an Unternehmens- und Privatkunden ausgeliefert zu werden. Zudem sollten die „digitalen Assets“ wie Webseiten, Applikationen und Infrastrukturen vor Ausfallzeiten und Datendiebstahl geschützt werden. Eine mehrstufige Sicherheitsstrategie bietet dabei einen hohen Schutz. Sie reicht vom eigenen Rechenzentrum oder dem eines IT-Dienstleisters bis in die Cloud. Eine cloudbasierte Lösung wirkt dort, wo die Angriffe entstehen, und wehrt beispielsweise DDoS-Angriffe ab, bevor sie die IT-Infrastruktur und die darauf laufenden Applikationen und Services aus dem Bereich der digitalen Transformation erreichen.

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/


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