Nachhaltig digitalisiert

Interview mit Prof. Michael Kuhndt über neue Geschäftsmodelle an der Schnittstelle von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz.

Welches Potenzial räumen sie der Energieeffizienz und der Digitalisierung im Kontext der Nachhaltigkeit ein?
Zunächst einmal: Die Digitalisierung bringt Transparenz. Diese Transparenz ist Grundvoraussetzung für das Wissen über Energie. Also: Wo brauche ich Energie? Was ist an Energie in meine Produkte geflossen? Wie kann ich die Kreisläufe schließen und damit Ressourcen erhalten? Hier kommen wir also sehr schnell auf die Notierung der Circular Economy. Wichtig ist es ja auch zu sehen, dass ein Energieeffizienzthema alleine betrachtet – also in der Nutzenphase eines Produkts – nur ein Aspekt ist. Aber wenn ich die Energieeffizienz im Kontext der Kreislaufwirtschaft sehe, dann habe ich eine direkte Schnittstelle zur Digitalisierung. Also wenn ich den Energieverbrauch möglichst effizient halten möchte, muss ich mit Rohstoffen effizient umgehen. Das heißt, ich muss einen Kreislauf führen. Sonst muss ich z. B. das Aluminium zehnmal produzieren, so kann ich das Aluminium im Kreislauf führen, habe es einmal produziert und kann es dann weiterverarbeiten. Und genau dazu brauche ich die Digitalisierung. Ich muss Transparenz haben: Wo sind die Warenströme? Wo geht es hin? Wo kommt das her? Was genau steckt in den Materialien, die ich z. B. weiterverarbeite? Kann ich das wieder verwerten? Da entstehen momentan mannigfaltig neue Geschäftsmodelle.

Auf der gleichen Grundlage, der Mehrfachnutzung von Resourcen, setzt die Sharing Economy an. Ohne die Digitalisierung wäre so ein Konzept nicht denkbar. Spielt diese spezielle Form von Teilen in Ihrem Beratungsalltag eine Rolle?
Ja, sie spielt eine Rolle. Wir sehen hier ein immer stärkeres Wachstum. Für das Weltwirtschaftsforum haben wir eine Studie zu dem Thema gemacht und sind damit auch auf dem Economic Forum in Davos aufgetreten. Speziell die großen Unternehmen – die diese Studie auch bei uns angefragt haben – sehen die Sharing Economy als „Emerging Trend“, also es wächst, es entsteht, genauso wie die Digitalisierung.

Prof. Michael Kuhndt, CSP Centre gGmbH

Nutzen Unternehmen explizit Konzepte wie die Sharing Economy, wenn sie neue Geschäftsmodelle generieren?
Die Frage ist ja, wie sieht unsere Zukunftsgesellschaft aus? Vielmehr: Wie wollen wir, dass unsere Zukunftsgesellschaft aussieht? Fakt ist: Produkte werden künftig eine untergeordnete Rolle spielen. Die Zukunft des Produkts liegt in der „Subscription-Economy“. Es geht darum, dass man ein Produkt als Dienstleistung versteht. Es entsteht ein Produkt-Dienstleistungs-System. Schauen sie sich Philips an, die sagen: Wir stellen nicht mehr die Lampe her, sondern wir verkaufen Licht, wir verkaufen Helligkeit. Das Geschäftsmodell dazu sieht so aus: Unternehmen kommen zu Philips und sagen: „Kommt doch bitte in unser Büro herein und stellt sicher, dass die Dienstleistung ‚ausgeleuchtete Arbeitsplätze‘ sichergestellt wird.“ Wir als Kunden wollen gar nicht die Produkte selbst kaufen. Diese Entwicklung ist hochinteressant. Es geht also weg vom Besitzen hin zum Nutzen. Übrigens eine Entwicklung, die die Digitalisierung hervorgebracht hat. Genau dieser Gedanke steckt auch hinter der Sharing Economy: Muss ich alles, was ich nutzen will, auch besitzen? Das heißt, wenn wir konkret mit Unternehmen arbeiten, ist das genau auch ein Aspekt unserer Zusammenarbeit, über den die Unternehmen dann auch sprechen wollen. Egal ob Tourismusbranche oder Textilien … Muss man Textilien zum Beispiel immer wieder neu kaufen? Oder könnte man auch sagen: Weil sich der Geschmack, das eigene Gewicht oder Lebensumstände geändert haben, geben wir Textilien fortan eine „Nutzenphase“? Nicht nur wir bringen ein solches Thema an, sondern eben auch konkrete Nachfragen von Großunternehmen, auch vom Handel. Ein weiteres Beispiel aus der Möbelbranche: Möbel, muss ich die immer verkaufen …? Täte es meinem Geschäft nicht viel besser, wenn ich das tatsächlich nur nutzen lasse und ich bekomme es dann wieder zurück? Nebeneffekt: So habe ich für zukünftige Produkte und Weiterentwicklungen gleichzeitig meine Ressourcen im Kreislauf und spare effektiv beim Einkauf.

Geht der Trend also in Richtung „Product as a Service“?
Genau, das ist es. Nicht alles besitzen, aber jederzeit alles nutzen. Das geht natürlich auch wieder einher mit der Digitalisierung. Als Konsument habe ich die mit dem Smartphone ja quasi in der Hand.

Welche Weichen sollten Ihrer Meinung nach jetzt in Politik und Wirtschaft gestellt werden?
Ich denke, das Thema Digitalisierung ist in der Politik angekommen, alle Bundesländer und die Regierung beschäftigen sich damit. Auch die Kommunen diskutieren über diese Themen. Womit sich die Politik beschäftigen muss, sind die Rahmenbedingungen. Treffen Konzepte wie Sharing Economy, Circular Economy oder Subscription-Economy oder hierauf basierende, neue Geschäftsmodelle auf Rahmenbedingungen, die mit ihnen vereinbar sind? Die große Sorge meinerseits besteht darin, dass wir Teile der Gesellschaft von der Digitalisierung entkoppeln: Geschäftsmodelle und auch die sogenannten „Digital Natives“ verändern sich viel schneller als Politik und andere Teile der Gesellschaft es überhaupt können. Nehmen Sie Uber: Hier steht ein Bedürfnis nach Mobilität einer ganzen Branche entgegen, die von ihrem Beruf auch leben können will – und soll. Dafür werden „Sub-Systeme“ immer interessanter. „Spielwiesen auf Stadtebene“, um neue Geschäftsmodelle wie z. B. Energieeffizienz, Smart Home und IoT gemeinsam mit dem Bürger „auszuprobieren“. Dafür brauchen wir einen rechtlichen Rahmen.

Man bräuchte Regelungen für Modell-Städte oder Modell-Viertel?
Genau richtig. So kann man auch die Akzeptanz-Probleme quasi in kleinen Labs, in kleinen Systemen, beseitigen helfen. Erkennen die Menschen den Nutzwert einer Neuerung, wie etwa der „Smart City“, dann lässt sich das auch schnell auf Bundesebene skalieren. Hier muss die Politik dringend Regeln finden.

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/


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